Ilija Trojanow, "Nomade auf vier Kontinenten. Auf den Spuren von Richard Francis Burton"

"Ein kleines bibliophiles Meisterwerk"

Von Sebastian Fasthuber (Falter/Wien)

Sieben Jahre lang reiste Ilija Trojanow auf den Spuren von Richard Burton (1821–1890) durch Indien, Arabien, Afrika und Nordamerika, davon lebte der aus Bulgarien stammende deutsche Autor mehrere Jahre in Indien und im arabischen Raum. Seine umfangreichen Recherchen materialisierten sich vor zwei Jahren in dem Roman „Der Weltensammler“, der zum Bestseller avancierte. Freilich hatte Trojanow weit mehr Welt gesammelt, als in einem einzigen Buch Platz fand.

Nun legt er einen Band vor, der Berichte seiner eigenen Reisen Texte aus Burtons Feder gegenüberstellt. „Nomade auf vier Kontinenten“ erscheint als letzter von Franz Greno gestalteter Band in der Anderen Bibliothek und ist ein kleines bibliophiles Meisterwerk. Inhaltlich lässt er sich als immer wieder Staunen machender Reisebericht begreifen – über Bombay/Mumbai, die Hadsch und Ostafrika –, aber auch als eine kursorische Biografie Burtons.

Trojanow schildert den Mann, „der mehr Sprachen beherrschte, als ein Sultan Ehefrauen hat, [...] sich mit mehr Dialekten schmücken konnte, als manch ein Vorgesetzter mit Orden“, mit großer Zuneigung, spart aber auch dessen Widersprüchlichkeiten nicht aus. Burton war gelehrsam wie erotoman, blutrünstig wie depressiv. "Er war verliebt in Vielfalt", schreibt Trojanow. Genau das ist es, was an dieser Persönlichkeit nach wie vor fasziniert.


«Burton war wie ein Orchester ohne Dirigent»

Von Thomas Strünkelnberg, dpa

Spätestens der preisgekrönte Roman «Der Weltensammler» hat seinen Autor Ilija Trojanow international bekannt gemacht. Mit dem Buch setzte er dem Abenteurer und Entdecker, dem Autor, Gelehrten und Lebemann Sir Richard Francis Burton (1821-1890) ein literarisches Denkmal. Für die Recherche reiste Trojanow (41) sieben Jahre lang auf den Spuren Burtons durch Indien, Arabien,
Afrika und Nordamerika, eine überreiche Materialsammlung war das Ergebnis. Kein Wunder, dass sich auch sein neues Werk «Nomade auf vier Kontinenten» mit Burton befasst. Und obwohl der Autor gewissermaßen zum zweiten Mal über sein Thema schrieb, entstand ein völlig anderes Buch.

Denn «Nomade auf vier Kontinenten» enthält Erfahrungen, die Trojanow selbst auf seinen Reisen sammelte. Den Reiz des Buches macht aber vor allem aus, dass er geschickt und oft mit fast unmerklichem Übergang eigene Erlebnisse mit den Originaltexten Burtons verknüpft. So dicht verwoben erscheinen die Erlebnisse der beiden eigentlich völlig verschiedenen Autoren - trotz all der Zeit, die vergangen ist -, dass ein ums andere Mal die Frage auftaucht: Wer erzählt
eigentlich, Burton oder Trojanow? Das ist kein Manko: Trojanow schafft eine Brücke zwischen damals und heute. Dabei wirken die Veränderungen oft weniger gewaltig, als die Zeitspanne von rund 150 Jahren vermuten lässt.

Sicher, eine gelbe Wartungslokomotive sah Burton wohl kaum durch den Busch heranrattern, geschweige denn, dass sie ihn mitgenommen hätte. Doch wenn Trojanow seinen Marsch durch die Wüste beschreibt: «Die Landschaft ist so monoton, wir beginnen sie zu hassen. Wir wissen nicht, wie wir Staub und Hitze entrinnen sollen. Die Öde dringt in uns ein», dann fühlt er sich nicht nur Burton näher, sondern erlebt etwas, das auch Burton so erlebt haben mag. Trojanow
spricht angesichts versiegenden Wassers von der «Ohnmacht der Dürreopfer» und von dem Gefühl des Reichtums, als er seinen Trinkbeutel endlich wieder füllen kann. Fast körperlich spürbar wird in seiner Beschreibung das Erlebte.

Schnell gelangt der gut ausgerüstete Autor an seine Grenzen - und damit wieder in die Nähe Burtons - wenn er auf seiner Wanderung auf die technischen Hilfsmittel verzichten muss. Das GPS-Satellitensignal dringt nicht durch das dichte Blätterdach des Urwalds, seine Karten hat er aus dem Rucksack verloren. Trojanow fasst das trocken-ironisch in der mathematischen Formel zusammen: «Urwald - (Karten+GPS) = Panik.»

Trojanow schildert wie Burton eine Pilgerfahrt nach Mekka und Medina, hier sind die Veränderungen wohl am ehesten greifbar: Anreise per Flugzeug, die verschiedenen Etappen der Pilgerreise werden per Bus zurückgelegt. Doch der Anblick der Kaaba löst in Trojanow und Burton, die so viele Jahre trennen, ganz ähnliche Dinge aus. «Ich kann wirklich behaupten, dass unter den vielen Andächtigen, die sich weinend an den Vorhang schmiegen oder ihre pochenden Herzen an den Stein drückten, keiner in diesem Augenblick tiefere Gefühle empfand als der Hadschi aus dem fernen Norden», schrieb Burton. «Und ohne
nachzudenken, ohne mich vorbereitet zu haben, kam in mir ein bestimmter, klarer Wunsch auf, und meine Augen füllten sich mit Tränen», formuliert Trojanow.

Viel Skurriles hält das neue Buch bereit. Etwa den indischen Buchhändler, dem Trojanow für 10 000 Dollar für eine Erstausgabe der Burton-Übersetzung von «Tausendundeiner Nacht» weitere Informationen über den Entdecker zu entlocken hofft. Oder den Versuch Trojanows, den «Fußnotenfetischisten» Burton durch reichlichen Gebrauch entsprechender Anmerkungen noch zu übertreffen. «Burton war wie ein Orchester ohne Dirigent», schreibt Trojanow. «Ich habe versucht, dieses Orchester abzubilden, ohne es einem Taktstock zu unterwerfen.»