Werema Chacha ist tot - der Meister an der Litungu

Am 29. März starb in Bagamoyo im Alter von 78 Jahren Werema Masiaga Chacha, der legendäre und vermutlich beste Litungu-Spieler in der Geschichte Tansanias. Er wurde am 30. März im Kreise seiner Familie und Musikerkollegen, darunter Dozenten und Studenten des Bagamoyo College of Arts (TaSUBa), beigesetzt.

Chacha gehörte zum Volk der Kuria

Chacha gehörte zum Volk der Kuria, das in einer hügeligen Landschaft auf beiden Seiten der tansanischen Grenze zu Kenia siedelt. Werema Chacha spielte die Litungu, die Hirtenflöte Filimbi sowie die Ngoma (Trommel).

Bereits als Kind lernte Chacha von seinem Onkel in seinem Heimatort Tarime (Mara Region) traditionelle Kuria-Musikinstrumente wie die Litungu. Mit 15 Jahren gab er seine ersten Aufführungen. Mit nur 18 Jahren konnte er die Litungu perfekt spielen und galt auch als Meister beim Bau des Instruments.
 

Ein 6-saitiges Instrument aus Nordtansania

"Die Litungu ist ein 8-saitiges, 4-stimmiges Instrument aus Nordtansania, das aus einer Stahlschale besteht, die mit trockener Haut bedeckt ist. Stäbchen gehen durch die Haut in die Schale mit einstellbaren Stimmseilknöpfen, die in die Saiten eingewebt sind. Das Instrument wird von einem Stock begleitet, der an winzigen Glöckchen befestigt ist. Der Musiker steuert den Stock mit seinem Fuß und schlägt ihn gegen den Rahmen der Litungu. Der Klang der Glocken bestimmt den Rhythmus der Tanzbewegungen."
Aus: Tanzania Heritage Project

Die tansanische Leier

Durch ihre Handelskontakte mit den weiter nördlich am Nil lebenden Völkern hatten die Kuria die Litungu, die tansanische Leier, in ihre Musikkultur übernommen. Man findet sie traditionell in den Regionen Mara und Kagera in Tansania, wo sie auch Zeze la Kilhaya genannt wird. Sie ist aber auch in Uganda, Burundi, Ruanda, Kenia, Somalia, Sudan, Äthiopien und Dschibouti zuhause. In diesen Ländern ist die Litungu in der Regel allerdings kleiner mit weniger Saiten.

Der Resonator der Litungu wurde in früheren Zeiten aus einer Holzschale hergestellt, die mit einem Fell bespannt wurde. Es ist ein großes Instrument, etwa einen Meter hoch. Heute wird für den Resonanzkörper meist eine Metallschüssel recycelt, die Saiten aus Angelschnüren hergestellt.

Ein Rhythmusstock zur perkussiven Unterstützung

Die Litungu wird auf dem Boden oder einem kleinen Hocker sitzend gespielt, die acht Saiten mit beiden Händen rhythmisch angezupft. Durch das Fehlen eines Steges scharren die Saiten über die mit Zebra oder Kuhhaut bespannte Resonanzdecke und erzeugen einen sehr charakteristischen Klang. Zur perkussiven Unterstützung benutzte Werema Chacha meist die Ibibiria, einen Rhythmusstock, an dem eine Metallglocke befestigt ist und der zwischen den Zehen seines rechten Fußes gehalten, im Takt auf den unteren Arm seiner Litungu geschlagen wird.

Balladen mit erzieherischem Inhalt

Zum Spiel der tansanischen Leier werden traditionell Geschichten erzählt, Balladen und Lieder mit erzieherischem Inhalt für die Jugendlichen gesungen. Interessant ist auch der Litungu-Tanz aus der Mara-Region. Ein weiteres, der Litungu vergleichbares Instrument ist die Kinubi, die in den Regionen Morogoro, Küstenregion, Kagera und Mbeya anzutreffen ist.
 

Werema Chacha als Mitglied der Bagamoyo Players

Werema Chacha war viele Jahre als sogenannter Master-Musician Dozent am Bagamoyo College of Arts (TaSUBa) und gab dort Litungu-Unterricht. Als Mitglied der Bagamoyo Players, des langjährigen Nationalensembles von Tansania, trat er in vielen Ländern und auf fast allen Kontinenten der Welt auf. Die Reisen führten ihn unter anderem nach Japan, Australien, China, USA, England, Frankreich, Norwegen, Schweden, Finnland, Dänemark, Schweiz, Österreich und Spanien.

Werema Chacha war 1990 mit den Bagamoyo Players auch an dem großen Weltmusikprojekt 'One World one Voice' mit Musikern und Musikgruppen aus aller Welt beteiligt.
 

Mehrere Tourneen auch in Deutschland

Mehrere Tourneen mit über 50 Veranstaltungen, organisiert vom Freundeskreis Bagamoyo e.V., führten ihn ab 1989 auch nach Deutschland. Fast 40.000 Menschen sahen ihn und die Bagamoyo Players bei einem ihrer vielen Auftritte in der Afrika-Halle im Rahmen der EXPO 2000 in Hannover. Gemeinsam mit tansanischen Musiker-Legenden wie Dr. Hukwe Zawose, Charles Zawose, Hamisi Digalu, Khalfan Matitu oder Basil Mbatta trat er zudem in ganz Deutschland mit den Master Musicians of Tanzania auf.

Gemeinsam mit Dr. Hukwe Zawose, John Mponda, Hamisi Digalu, Basil Mbatta, Dr. Wolfgang König, Veronika te Reh, Pit Budde und anderen Musikern gehörte er 1991 zu dem Ensemble, das für den Ev. Kirchentag im Ruhrgebiet die Produktion "Mwanzo wa Makonde" einstudierte und aufführte.
 

Ein strenger Bewahrer der musikalischen Wurzeln Tansania

Zeit seines Lebens war Werema Chacha ein strenger moralischer Verfechter und Bewahrer der traditionellen musikalischen Wurzeln Tansanias. In den letzten Jahren arbeitete er aber auch in Musikprojekten wie "Urithi wa Leo" mit jungen Musikern aus Bagamoyo zusammen.

In einem Gespräch mit der tansanischen Tageszeitung 'The Citizen' sagte er 2016:

„Lasst uns zurück zu unseren Wurzeln gehen. Die meisten Jugendlichen von heute halten nichts von traditionellen Werten und deshalb spricht Fremdes sie mehr an als ihre eigenen Wurzeln.“ Die Modernisierung der tansanischen Musik müsse nicht bedeuten, "dass wir unsere großartigen Instrumente wie die Litungu und die Marimba wegwerfen, nur um westliche Instrumente zu übernehmen".

"Die Kultur Tansanias könnte in naher Zukunft unauffindbar sein"

Chacha: „Es ist wichtig, dass junge Musiker einige dieser traditionellen Instrumente in ihre Sounds einbauen. So gewinnen sie eine einzigartige Identität, die es so nur in Tansania gibt.“ Die Kultur Tansanias könnte "in naher Zukunft unauffindbar sein, wenn nicht eine bewusste Anstrengung unternommen wird, sie zu bewahren. Unsere Kultur erodiert schnell und nur durch diese Werke können wir einige dieser Fähigkeiten an die heutige Generation weitergeben."

Werema Chacha, dessen Frau bereits vor 10 Jahren gestorben ist, hinterlässt drei Töchter und drei Enkelkinder. Seine älteste Tochter Ghati tritt auch als Tänzerin auf.

Kurze filmische Musikbeispiele: Werema Chacha spielt die Litungu und die Filimbi
Tanzania Heritage Project 2016

Werema-Chacha-Seite beim Tanzania Heritage Project
(mit der Aufnahme eines traditionellen Litungu-Stückes von Werema Chacha)
 

CDs und Sampler mit Werema Chacha

• The Bagamoyo Players,Tanzania (Freundeskreis Bagamoyo e.V. / Acoustic Music Münster), 2000 
• The Music of Kenya and Tanzania (World Music Network), 1996
• Wax + Gold (Radio Ethiopia), 1995
• Tanzanie, Lieder der Wagogo und der Kuria (Maison des Cultures du Monde), 1992
• Mwanzo wa Makonde, "Mythos vom Ursprung der Makonde" (Freundeskreis Bagamoyo, Bagamoyo College of Arts, Musikschule Beckum-Warendorf e.V.),  1991
• One World One Voice (Virgin Records), 1990
• Tanzania Yetu (Triple Earth Music), 1985