Wolfgang Bernhardt: „Tanzania, Nyerere, Papst Franziskus - Das Scheitern einer 'christlich inspirierten Wirtschaft'“

Das wissenschaftliche Werk von Wolfgang Bernhardt ist ein „Muss“ für alle Menschen, die sich für die Geschichte und Kirchengeschichte Tansanias interessieren. Setzt es sich doch mit einem bislang noch weitgehend unerforschten Thema auseinander: mit der Rolle der Katholischen Kirche während der Ujamaa-Politik von Staatspräsident Julius Nyerere. Und mit der ganz besonderen Beziehung des Katholiken Julius Nyerere zur Kirche und zum Vatikan.

Prof. Dr. Wolfgang Bernhardt, 82, war zuletzt Vorsitzender der Geschäftsführung und des Aufsichtsrats der FAZ (2002-2012). Von der Uni Leipzig wurde er 1997 zum Honorarprofessor für Unternehmsführung ernannt, die Uni Freiburg verlieh ihm den Ehrendoktortitel. Von 2001-2008 war Bernhardt auch für den Vatikan tätig und recherchierte für sein Buch mehrfach vor Ort in Tansania.

Nach Bernhardt war Nyerere nicht nur ein charismatischer Parteiführer und Staatspräsident, sondern „für viele – bis heute – ein Prophet, wenn nicht ein Heiliger, der einzige wahrhafte Befreiungstheologe Afrikas (Tansanias ohnehin)“. Interessant ist in dem Buch der Hinweis auf die Bewunderung Nyereres für den lateinamerikanischen Befreiungstheologen und Erzbischof Helder Camara („seine Leitfigur“) und die „erzwungenen“ Kontakte zwischen ihm und der tansanischen Bischofskonferenz.

Die Katholische Kirche hatte nach Auffassung Bernhardts aber auch gar keine andere Wahl, als am Ujamaa-Programm aktiv mitzuwirken. Ein offener oder versteckter Widerstand hätte für die damals noch reine Missions-/Auslandskirche bedeutet, „hundert Jahre harter und selbstloser Missionsarbeit aufs Spiel zu setzen. (…) Schon ein Entzug der Aufenthaltserlaubnis für die ausländischen Missionare hätte die Kirche ins Mark getroffen – wo doch alles wie der christliche Himmel auf Erden aussah und einen Versuch wert war, zumal unter dem Schutz Nyereres.“ Also begrüßte der Hirtenbrief zur Hundertjahrfeier der Kirche 1968 die Arusha Deklaration und den Weg des Ujamaa-Sozialismus ausdrücklich.

Interessant der mehrfach dokumentierte Nachweis im Buch, dass dieses Vorgehen im Gegensatz zu Südamerika die volle Rückendeckung Roms hatte. Die Erklärung des Autors ist nachvollziehbar: In Lateinamerika kam der Anstoß von innen und von unten, aus der einheimischen Kirche. Der Kampf richtete sich gegen die (Regierungs-) Politik, gegen in- und ausländische Machthaber und gegen den Widerstand in der Hierarchie der lateinamerikanischen Kirche. In Tansania kam der Anstoß hingegen „von oben, aus der Politik (nicht aus der Kirche); treibende Kraft war Staatspräsident Nyerere, ein katholischer Laie, mit Billigung und Unterstützung der tansanischen Bischofskonferenz, einer Rom-treuen Kirche.“

Bernhardt schildert anschaulich, warum das Ujamaa-Projekt gescheitert ist („es war einen Versuch wert“). Und er setzt sich abschließend mit der Frage einer Seligsprechung Nyereres auseinander. Mit der Kennzeichnung Nyereres als „Servant of God“ wurde hierfür im Jahr 2005 bereits der erste Schritt getan.

Der Autor nimmt das Scheitern des Ujamaa-Projekts („es hat Tansania ins Elend gestürzt, für Jahre und Jahrzehnte, mit Nachwirkungen bis auf den heutigen Tag“) aber auch zum Anlass einer generellen Abrechnung mit einer „christlich inspirierten Wirtschaft“ - und damit mit Papst Franziskus, der für Bernhardt „nahe bei der lateinamerikanischen Befreiungstheologie“ steht. Für ihn ist Franziskus zwar „ein Glücksfall für seine Kirche, als Prophet, als mahnendes Gewissen, als Rufer in der Wüste“. Doch Bernhardt mahnt seinerseits: „Doch es ist nicht überall Wüste (Südamerika). Das übersieht der Papst bei seiner harschen Kritik an der Wirtschaft“.

Eine lesenswerte Arbeit, die zur Diskussion herausfordert. 176 Textseiten werden ergänzt durch 279 Seiten Dokumentation. Da es keinerlei systematische Archivierung der Texte der tansanischen Bischofskonferenz und ihrer Kontakte mit Rom gibt, hat der Autor zahllose Dokumente im wahrsten Sinne des Wortes ausgegraben und sich aus aller Welt zuschicken lassen. Gute Englischkenntnisse werden in dem Buch vorausgesetzt.

Wolfgang Bernhardt, „Tanzania, Nyerere, Papst Franziskus – Das Scheitern einer „christlich inspirierten Wirtschaft“
Vier-Türme-Verlag, Münsterschwarzach 2016, 388 S., 29,99 EUR