Alex Banzi: „Versuchung“

Im jungen unabhängigen Tansania der Sechzigerjahre versuchen der Lehrer Zenga und seine Frau Ena in einem traditionell geprägten Umfeld eine moderne Ehe zu leben. Doch Enas Vertrauen in Zengas Liebe ist brüchig. Sie fürchtet, ihn wegen eines unerfüllten Kinderwunsches zu verlieren und sieht ihre Ehe von gebildeten Frauen wie der Lehrerin Shelina bedroht. In ihrer Not erliegt Ena der Versuchung, durch magische Mittel ihr Geschick zu beeinflussen. Dies hat fatale Konsequenzen.

Das Thema der Versuchung durchzieht die Erzählung: Ena gerät in Versuchung, weil sie eifersüchtig ist und Kinder bekommen möchte; Zenga würde gerne seine Eheprobleme auf einfache Art lösen; Zengas Vater wird in sexuelle Versuchung geführt, mit einer Frau, die tabu für ihn ist. Obwohl die Protagonisten in ein enges soziales Netz eingebunden sind, zeigt die Erzählung sie als einsam in ihren Ängsten und Konflikten. Vertrauen scheint schwierig und mit Gefahren verbunden zu sein. Die Erzählung löst dieses Problem nicht auf, das Ende bleibt offen.

Trotz der historischen Verortung im Tansania der 1960er Jahre, besticht die Erzählung durch die Zeitlosigkeit ihrer Darstellung der sozialen Atmosphäre in einem tansanischen Dorf und das Thema der Paarbeziehung und Geschlechterrollen in einer sich wandelnden Gesellschaft. Banzi zeigt die Gefahren der Anwendung von Magie auf, macht aber auch nachvollziehbar, dass die Protagonistin in der Magie eine Möglichkeit sieht, Wirkungsmacht zu gewinnen in einer Situation, die ihr sonst wenig Raum für die Durchsetzung ihrer Interessen bietet.„Versuchung“ gehört zur ersten Generation einer Prosaliteratur, die durch Realismus und eine sozialkritische Haltung geprägt ist. Ihre beherrschenden Themen sind Konflikte, die sich aus den gesellschaftlichen Umwälzungsprozessen ergeben: afrikanische Tradition und westliche Moderne, Land und Stadt, Arm und Reich, Alt und Jung. Häufig verfolgen die Autoren eine didaktische Absicht, die sie durch einen schlechten Ausgang ihrer Geschichten ausdrücken: Wer keine festen moralischen Prinzipien verinnerlicht hat, fällt den Versuchungen der Stadt und der Gier nach schnellem Reichtum zum Opfer oder kehrt geschlagen in den Schoß der Familie zurück. Alex Banzi, geb. 1945 in Morogoro, enthält sich in Titi la Mkwe eines Urteils. Das macht den Text, zusammen mit einer spannender Erzählweise und ironischen Distanz, zu einem kleinen Juwel. Das Buch erschien in Kisuaheli bereits 1972 beim Publishing House in Daressalam.

In einer ausführlichen Einführung gibt die Übersetzerin, die als Afrikanistin und Lektorin für Swahili am Asien-Afrika-Institut der Uni Hamburg arbeitet, wichtige Infos, die für ein tieferes Verständnis der verschiedenen Textebenen hilfreich sind.

Aus: Afrika-Kooperative e.V.

Alex Banzi, „Versuchung“
Aus dem Kisuaheli („Titi la Mkwe“) von Uta Reuster-Jahn
TB, 144 S., 12,80 EUR, Books on Demand, Norderstedt 2016