China finanziert mit 10 Milliarden US-Dollar einen großen Containerhafen in Bagamoyo

Ein Kommentar von Rudolf Blauth

Im März 2013 haben die beiden Staatspräsidenten von China und Tansania, Xi Jinping und Jakaya Kikwete, in Daressalam ein Abkommen unterzeichnet, wonach sich China verpflichtet hat, durch einen Kredit den Bau eines neuen modernen Containerhafens in Bagamoyo zu finanzieren. In den tansanischen und chinesischen Medien war von 8-10 Milliarden US-Dollar die Rede, wobei sich die unterschiedlichen Summen möglicherweise damit erklären lassen, dass China auch noch den Bau der Sonderwirtschaftszone von Bagamoyo unterstützen will.

Im Jahr 2016 soll mit dem Bau begonnen werden. Die Fertigstellung ist für 2017 geplant, was realistisch gesehen aber wohl erst einige Jahre später der Fall sein wird.

Der Hafen wird einige Kilometer südlich von Bagamoyo bzw. südlich der historischen Ruinen von Kaole liegen – direkt gegenüber der Lazy Lagoon, auf der sich (noch!) in traumhafter Lage eine 4-Sterne-Lodge der Hotelkette Fox befindet.

Dem großen Containerhafen wird sich die große Sonderwirtschaftszone Bagamoyo anschliessen, die nach Angaben des tansanischen Botschafters in Peking mit einer neuen Eisenbahnlinie an die Zentraleisenbahn und an die Tansam-Eisenbahn angebunden werden soll. Außerdem soll nach seinen Angaben eine Fernstraße von Bagamoyo nach Mlandizi gebaut und damit unter Umgehung von Daressalam ein direkter Anschluss zum Tansam-Highway Daressalam-Chalinze-Mbeya-Sambia hergestellt werden. Im Gespräch ist außerdem eine neue Satellitenstadt, um den in der Wirtschaftszone angeblich benötigten 20.000 Arbeitern zukünftig Unterkünfte bieten zu können.

Warum finanziert China den Hafen von Bagamoyo?

Afrika ist für China von strategischer Bedeutung. Hier liegen die Rohstoffe, die im Reich der Mitte so dringend benötigt werden. Gleichzeitig ist Afrika mit seiner unglaublich schnell anwachsenden Bevölkerung ein optimaler Absatzmarkt für chinesische (Billig-) Waren.

Und Tansania ist für China das optimale „Gate“ nach Afrika: Das Land liegt am Indischen Ozean und ist daher für Containerschiffe aus China optimal zu erreichen.

Tansania ist politisch stabil und blickt immer noch dankbar auf den Bau den Tansam-Eisenbahn durch 20.000 chinesische Arbeiter zurück. Auf die historische Verbundenheit und Freundschaft beider Länder wurde beim Staatsbesuch von Xi Jinping denn auch in jeder Rede und in fast jedem tansanischen oder chinesischen Zeitungsartikel hingewiesen.

Dabei ist Tansania für China keineswegs nur eine Durchgangsstation: Tansania verfügt über Rohstoffe wie Gas, Uran, Nickel, Kohle, Gold, Diamanten etc. sowie möglicherweise auch noch Öl und die weltweit begehrten „Seltenen Erden“.

Hauptsächlich ist der Hafen von Bagamoyo für China jedoch von Interesse als Verladestation von Bahn/LKW auf Schiff (und umgekehrt), um von der Küste aus die ebenfalls rohstoffreichen und ebenfalls boomenden Staaten Ruanda, Ostkongo, Sambia und Malawi zu erreichen – möglicherweise sogar Uganda und Südsudan im Falle eines Ausfalls der Bahnlinie durch Kenia und im Falle einer nicht möglichen Realisierung der tansanischen Eisenbahn-Ausbaupläne von Tanga nach Kampala.

Spekulationen aus Hongkong und Indien, China könne den Hafen von Bagamoyo womöglich sogar mittel- oder langfristig als Stützpunkt für die chinesische Flotte ins Auge fassen, wurden umgehend von der chinesischen Regierung dementiert.

Welches Interesse hat Tansania am Hafen von Bagamoyo?

Der Hafen von Daressalam ist hoffnungslos überlastet und auch nicht mehr in dem Maße ausbaufähig, wie es der angestiegene Containerumschlag erfordert. Tag für Tag liegen zahlreiche Schiffe vor Daressalam in einer Warteschleife vor Anker. Ein ultramoderner neuer Containerhafen hat nur Vorteile: Er entlastet den alten Hafen von Daressalam, er bietet im Gegensatz zur Innenstadt von Dar ausreichende Möglichkeiten für große Lagerflächen im Hinterland und einen direkten Anschluss zur Sonderwirtschaftszone, in deren Konzept vorgesehen ist, dass die afrikanischen Binnenländer eigene große, weitgehend sogar autarke Grundstücke für den Container- und Warenumschlag anpachten können und die entsprechenden Steuern zahlen müssen. Auch muss sich zukünftig der Warentransport nicht mehr durch die chronisch verstopften Straßen von Daressalam quälen.

Der Hafen von Bagamoyo wird womöglich der größte Containerhafen Afrikas am Indischen Ozean werden. Das ist für Tansania nicht nur eine Frage des Prestiges (wie die Tatsache, dass Xi Jinping auf seiner ersten Auslandsreise Tansania gleich als zweites Land nach Russland und noch vor Südafrika besucht hat), sondern auch ein großer Standortvorteil gegenüber dem Hafen von Mombasa und dem geplanten Konkurrenzhafen im Norden von Mosambik, der ebenfalls eine direkte Verbindung nach Malawi und Sambia herstellen will. Neben den Einnahmequellen aus dem Verkauf von Rohstoffen und landwirtschaftlichen Produkten sowie aus dem Tourismus garantiert der Warentransit in die Nachbarländer eine weitere nachhaltige Einnahmequelle.

Welche Probleme gilt es beim Bau des Hafens von Bagamoyo zu bewältigen?

Es gibt zahlreiche Probleme. Das Hauptproblem wird der Bau und die Unterhaltung des Hafens sein. Ein vor einiger Zeit erstelltes Gutachten aus Deutschland (Hamburg) kam zu dem Ergebnis, dass der vorgesehene Standort in Bagamoyo denkbar ungünstig ist. Durch die vorgelagerte Lagune ist mit einer permanenten Versandung der Fahrrinne zu rechnen, die laufend ausgebaggert werden muss. Vermutlich kein unlösbares Problem, aber nachhaltig schwierig und teuer. Auch ist die Lagune für ihre Strömungen bei Ebbe und Flut berüchtigt.

Eine fundierte Umweltverträglichkeitsprüfung ist bislang noch nicht angefertigt worden. Es kann davon ausgegangen werden, dass angesichts der chinesischen Milliarden der Umweltschutzgedanke keine Priorität haben wird. Es stellt sich z.B. die Frage, welche Auswirkungen das permanente Ausbaggern einer Fahrrinne für die Strände der Umgebung und möglicherweise auch für die angrenzenden Mangrovenwälder hat.

Eine neue Eisenbahnlinie kann recht einfach verlegt werden, es bleibt das Problem, dass die Zentraleisenbahn in Richtung Tanganjikasee (mit noch zu bauenden Verbindungen nach Ruanda, Burundi, Ostkongo und möglicherweise auch Uganda und Südsudan) und die Tansam-Eisenbahn (mit bereits existierenden Verbindungen nach Sambia und Malawi) über verschiedene Spurbreiten verfügen. Sicherlich eine technische Herausforderung.

Mit einer Verbindung zur Zentraleisenbahn ist es zudem nicht getan. Sie befindet sich ebenso wie die Tansam-Eisenbahn in einem vollkommen desolaten Zustand. Die notwendige Grundsanierung dürfte weitere Milliarden erfordern – vor allem von China, das sicher keine andere Nation an die historische Tansam-Eisenbahn heranlassen wird.

Nicht zu ignorieren sind auch mögliche Proteste von Anwohnern gegen die notwendige Verstaatlichung ihrer Grundstücke. Bereits jetzt steigen die Grundstückspreise in Bagamoyo kontinuierlich. 

Schließlich stellt sich mit dem Bau des neuen Hafens und der Sonderwirtschaftszone auch die Frage eines funktionierenden Managements – in Daressalam ist im vergangenen Jahr fast die gesamte Hafenleitung wegen Korruption entlassen worden.

Welche Auswirkungen hat der Hafen auf die Stadt Bagamoyo?

Man muss kein Prophet sein um vorherzusagen, dass sich der District und die Stadt Bagamoyo komplett verändern werden. Die Bevölkerungszahl wird in dem Maße steigen, wie es gelingt, in der Sonderwirtschaftszone nicht nur Container zu lagern, sondern auch die angestrebten Industriebetriebe anzusiedeln, die unbedingt notwendig sind, um Tansania auf Dauer eine Rolle als Rohstoffverkäufer einerseits und Käufer von (vor allem in Asien angefertigten) Fertigprodukten zu ersparen. Sollte der Aufbau von verarbeitenden Industriebetrieben gelingen, könnte die Einwohnerzahl der Stadt von derzeit ca. 44.000 (Volkszählung 2012) innerhalb von zehn Jahren auf über 100.000 steigen. Bereits jetzt sprechen die Regierungsverantwortlichen vom Bau einer neuen Satellitenstadt zwischen Bagamoyo und Daressalam. Letztendlich würden beide Städte zusammenwachsen – eine Entwicklung, die sich angesichts der ausufernden Vororte von Daressalam entlang der Bagamoyo Road bereits jetzt abzeichnet.

Für den historischen Stadtkern von Bagamoyo sind zwei extreme Entwicklungen denkbar: Das eine Extrem sieht Bagamoyo in zehn Jahren als nahe gelegene Unterhaltungsstätte für die Beschäftigten der Sonderwirtschaftszone: Mit vielen Kneipen, Discos, Spielcasinos, Supermärkten, vielen kleinen Händlern und nicht zuletzt auch kriminellen Banden und Prostitution.

Das andere Extrem sieht in zehn Jahren ein Bagamoyo, das seine historische Chance genutzt und die Innenstadt ähnlich wie Stonetown Sansibar mit vielen schön renovierten historischen Gebäuden gestaltet hat – mit liebevoll eingerichteten Gaststätten, Cafés, Kunsthandwerkläden, Geschäften, Museen etc. Eine Attraktion nicht nur für die eher gebildeten und vermögenden Experten der Sonderwirtschaftszone, die hier abends und am Wochenende eine attraktive Freizeitmöglichkeit vorfinden, sondern auch für Tagestouristen aus Sansibar und für Touristen aus den nördlichen Nationalparks oder aus den Usambara- Bergen auf dem Weg nach Sansibar. Die Möglichkeit hierfür wird durch eine neue direkte und schnelle Fährverbindung Bagamoyo-Sansibar geschaffen.

Leider wird wohl die Realität zwischen den beiden genannten Extremen liegen, und weitere hässliche Bausünden in der historischen Altstadt von Bagamoyo werden einhergehen mit einigen weiteren liebevoll restaurierten historischen Häusern unter gewerblicher Nutzung.

Für die Bevölkerung von Bagamoyo bieten die neuen Pläne aber natürlich den Vorteil von sehr vielen neuen Arbeitsplätzen und damit einer möglichen Teilhabe am konstanten Wirtschaftswachstum ihres Landes. Mehrere tausend Fach- und Hilfskräfte werden sowohl im Hafen von Bagamoyo als auch in der Sonderwirtschaftszone gebraucht. Aus dem gesamten Land werden aus diesem Grunde Arbeitssuchende nach Bagamoyo kommen.

Was bedeutet diese Entwicklung für den Freundeskreis Bagamoyo?

Die Frage ist recht einfach zu beantworten: Der relativ kleine Verein kann die Entwicklung in und im Umfeld der Stadt nur begleiten und kommentieren, natürlich aber nicht gestalten. Bislang ist vom Wirtschaftsboom Tansanias nur sehr wenig bei der armen Bevölkerung angekommen. Ein sich entwickelndes Land muss einen eigenen aktiven Beitrag zur Armutsbekämpfung leisten und jedes Projekt des Freundeskreises in Bagamoyo sollte daher noch gründlicher als bisher auf seine Zweckmäßigkeit und Nachhaltigkeit geprüft werden. Es bleibt allerdings zu befürchten, dass in Sachen „Nothilfe“ auch in den kommenden Jahren noch ausreichend zu tun bleibt.

Ansonsten sollten alle Bagamoyo- und Tansaniafreunde, die staunend und eher besorgt die dramatischen Veränderungen in Tansania beobachten, nicht vergessen, dass wir alle noch vor wenigen Jahren der festen Überzeugung waren, dass Tansania als eines der ärmsten Länder der Welt niemals eine Chance auf eine Entwicklung aus eigener Kraft erhalten würde. Musiker aus aller Welt forderten beispielsweise wieder und wieder ein deutliches Aufstocken der Entwicklungshilfe.

Tansania hat nun erstmals in seiner kurzen Geschichte die historische Chance auf eine eigene und unabhängige Entwicklung. Der Verweis auf unseren eigenen deutschen Fehler in der Entwicklung unseres Landes ist verständlich und gut gemeint, aber müßig. Die Tansanier werden ihre eigenen Erfahrungen machen und ihre eigenen Entscheidungen treffen. Eine deutsche Studie erklärte den Bau eines Hafens in Bagamoyo für nicht realisierbar, China baut ihn. So einfach ist das.