Jörn Ratering: "Mambo Supa Dupa"

Okay, der Fischer-Verlag trägt ziemlich dick auf und behauptet gleich auf Seite 2, dass Jörn Ratering „in Tansania so bekannt ist wie Angelina Jolie und Brad Pitt zusammen“. Und die Mitteilung, dass „der Ethnologiestudent über Nacht zu einem der begehrtesten Stars in Tansanias Traumfabrik Tollywood“ geworden ist, entspringt eher der Phantasie der Marketing-Verlagsabteilung nach dem Reality-Show-Motto „Unser Mann im Dschungel Afrikas“ (schon im nur 80 km entfernten Bagamoyo kennt Jörn Ratering kein Mensch). Immerhin: Mit dieser Masche hat es der Autor in die Talkshows von Tietjen und Hirschhausen, TV total und ins ZDF-Mittagsmagazin geschafft.

Bezeichnenderweise zeigt das verkaufsfördernde Buchcover wilde Tiere in der afrikanischen Savanne, obwohl die Handlung fast ausschließlich in den Straßenschluchten der 4-Millionen-stadt Daressalam spielt. Apropos „wilde Tiere“: Zwischen Giraffe, Zebra, Gorilla und Flusspferd hat sich auf dem Cover doch tatsächlich auch noch ein Bär in die Serengeti verirrt. Da wünscht man dem Grafiker des Covers und dem Fischer-Verlag als Belohnung doch glatt eine Woche Urlaub bei den 'strengsten Eltern der Welt' in der Massai-Steppe (SAT1 Reality Show).

Doch dafür kann ein Autor normalerweise nichts. Tatsächlich erweist sich das Buch jenseits der fragwürdigen und die Afrikaner funktionalisierenden Verkaufsstrategien als ein locker und lustig geschriebener Reisebericht eines Ethnologiestudenten, der zur Durchführung einer Feldstudie von der Uni Mainz nach Tansania geschickt worden ist (schickt man eigentlich auch Afrikaner zu Feldstudien nach Deutschland?) und der dann in einer Familienwohnung mitten in einem belebten und bunten Wohnviertel von Daressalam landet.

Jörn Ratering, 29, der sich in Daressalam Jörn Blaibtroy nennt und in Münster geboren und in Schwerte aufgewachsen ist, soll in Daressalam den Erfolg tansanischer Telenovelas erforschen. Für 10.000 TSH pro Tag (ca. 5 Euro) bekommt er Kost und Logis im „Mangoteebaum-viertel“ bei der alleinerziehenden Lucy, die nebenberuflich als Schauspielerin in einer tansanischen Telenovela mitwirkt und gleichzeitig zur Finanzierung ihrer großen Familie als Sekretärin beim Hohen Gericht in Daressalam arbeitet.

Jörn Ratering, 29, der sich in Daressalam Jörn Blaibtroy nennt und in Münster geboren und in Schwerte aufgewachsen ist, soll in Daressalam den Erfolg tansanischer Telenovelas erforschen. Für 10.000 TSH pro Tag (ca. 5 Euro) bekommt er Kost und Logis im „Mangoteebaum-viertel“ bei der alleinerziehenden Lucy, die nebenberuflich als Schauspielerin in einer tansanischen Telenovela mitwirkt und gleichzeitig zur Finanzierung ihrer großen Familie als Sekretärin beim Hohen Gericht in Daressalam arbeitet.

Wer immer einmal wissen wollte, wie die Menschen in Dar leben, der erfährt es hier sehr anschaulich (wobei es sich allerdings nicht um eine der ärmsten Familien der Stadt handelt). Ein Beispiel:

„Strom bekommt man über Guthabenkarten, die es in den Vierteln zu kaufen gibt. Man muss nur den aufgedruckten Code eingeben und der eingesetzte Betrag kann verbraucht werden. Ist das Guthaben alle, geht der Strom aus. Das wird über diesen Kasten gesteuert. Problematisch ist jedoch, dass die Stadt es meist nicht schafft, ausreichend Strom für alle Menschen hier bereitzustellen. Daher die häufigen Stromausfälle.“
„Und wie läuft das mit dem Wasser? Habt ihr eine Leitung?“
„Wasser gibt es hier leider auch nicht. Sie werden uns von den Politikern immer wieder versprochen, aber nichts passiert. Wir haben dort an der Tür und neben dem Klo Wasserkanister stehen, die wir ungefähr alle zwei Wochen auffüllen lassen. Dann fährt ein Tankwagen durch das Viertel und alle haben wieder Wasser. Das ist natürlich kein Trinkwasser, aber zum Duschen, Waschen und Abkochen ist es gut.“

Anschaulich und sehr konkret beschrieben erhält der Leser einen Einblick in das Leben der Stadt: Wie wohnen hier die Menschen? Was essen sie und verträgt auch ein Europäer dieses Essen? Wie sind kleine Kinder in den Familienalltag integriert? Wie gelangt man angesichts der täglichen kilometerlangen Staus aus den Vororten in die Innenstadt und wieder zurück? Wann fahren die Busse eigentlich ab („Na, immer und wenn sie voll sind“)? Wie erträgt man als Europäer den Weckruf des Muezzin morgens um 4.04 Uhr („ich war genervt“) und wie kommt man mit der brütenden Hitze in dem zusätzlich noch als Abstellkammer genutzten Gästezimmer klar („Das hier ist doch eine Küstenstadt, dachte ich verärgert. Wo bleibt der kühlende Luftzug vom Meer? Missmutig verließ ich mein Nachtlager und ging zum Fenster“)?

Interessant auch die Erfahrungen, unter welchen Bedingungen eine tansanischen TV-Soap erstellt und verbreitet wird (Verkauf selbstgebrannter DVDs an die im Stau stehenden Autofahrer) und warum sie so beliebt sind: „Liebe ist etwas, was im täglichen Leben hier in Tansania meist nicht angesprochen wird. In den Bongo Movies und in den Telenovelas wird endlich auch über dieses Thema diskutiert“.

Schließlich schildert Jörg Ratering alias Jorg Blaibtroy seine „Karriere“ als Mitwirkender in einer Bongo Movie Produktion, die weder im Kino noch im TV, sondern in „Schlappenkinos“ in Hinterhöfen gezeigt wird und die auch deswegen so beliebt ist, weil die Hauptdarsteller (vergleichbar dem Bongo Flava Rap) Kisuaheli sprechen und in bekannten Alltagssituationen der Millionenmetropole agieren.

Kurzum: Eine lesenswerte, sehr humorvolle und preiswerte Urlaubslektüre und bestens geeignet für den langen Flug von Europa nach Daressalam.

Und vielleicht hat ja der Gestalter des Buchcovers in seiner afrikanischen Tierzeichnung lediglich die gelegentlichen Übertreibungen des Autors (was die Bedeutung seiner Filmrolle betrifft) künstlerisch aufgreifen und dem Leser im wahrsten Sinne des Wortes bereits auf der Titelseite einen Bären aufbinden wollen? Wer weiß: „Mkono mtupu haulambwi – Eine leere Hand wird nicht geleckt werden“ (S. 72).

Jörn Ratering, „Mambo Supa Dupa – Mein Leben als Filmstar in Tansania“
Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2013, 251 S., 8,99 EUR (D) / 9,30 EUR (A)