"Deutschland sollte uns bei der Bildung unterstützen"

Interview mit Godwin Nyelo (Mining Advisory Board der Regierung von Tansania), Referent der Tagung „Ostafrika vor dem großen Sprung“ vom 23.-25.11.2012 in der Evangelischen Akademie Villigst

Frage: Herr Nyelo, wie waren Ihre Eindrücke in Deutschland?
Godwin Nyelo:
Nach einem Gespräch im Büro des Afrika-Beauftragten der Bundesregierung in Berlin bin ich sehr zuversichtlich, dass sich die deutsch-tansanischen Programme weiter positiv entwickeln werden. Dies betrifft z.B. die Bereiche Umweltschutz, die Restaurierung alter Steinkohlebergwerke oder die Erschließung unserer Gasfelder.

Wie beurteilen Sie ihre Gespräche während der Tansania-Tagung in Schwerte?
Für mich war die Tagung sehr hilfreich. Ich habe bei der Beurteilung der tansanischen Entwicklung zwei unterschiedliche deutsche Sichtweisen kennengelernt. Besonders gut hat mir der ausgewogene Vortrag der Vertreterin der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt gefallen. Die ZGF tritt einerseits für den Umweltschutz ein, versteht andererseits aber auch den Wunsch der Tansanier nach wirtschaftlicher Entwicklung.

Verstehen die Vertreter der deutschen Tansania-Initiativen die aktuelle Situation Ihres Landes?
Ich habe einen sehr großen Informationsbedarf festgestellt. Zum Beispiel war vielen nicht bekannt, dass wir vor der Küste Tansanias schon längst mit der Gasförderung begonnen haben oder dass die wichtige Pipeline von den Gasfeldern im Süden bis nach Daressalam schon längst in Bau ist. Natürlich verstehe ich die Sorgen um den Erhalt unserer Naturschutzgebiete, musste aber feststellen, dass vielen Tagungsteilnehmern nicht bekannt war, dass bereits ca. 40 % des gesamten Landes bereits unter Schutz gestellt ist, 25 % sogar mit dem Status eines Nationalparks. Man sollte in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass in Deutschland weniger als 5 % geschützt ist.

Mehrere Tagungsteilnehmer befürchteten, dass die Entwicklung Tansanias auf Kosten der ländlichen Regionen vollzogen wird.
Ich stimme zu, dass die Dörfer nicht vergessen werden dürfen und stärker unterstützt werden müssen. Allerdings bezieht sich der Finanzierungsschlüssel auf die konkreten Bevölkerungszahlen, und da leben natürlich viel mehr Menschen in den Städten als auf dem Land. Ich denke, dass die Dörfer vor allem durch Infrastrukturmaßnahmen wie z.B. den Straßenbau von der Entwicklung profitieren sollten.

Mehrfach wurden Befürchtungen geäußert, dass in Tansania die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird.
Diese Befürchtungen sind tatsächlich berechtigt. Einige Leute haben deutlich mehr Geld als andere, und wir müssen darauf achten, dass die Schere nicht zu weit auseinanderklafft. Andererseits braucht man in der globalen Wirtschaft natürlich auch eine gewisse Zeit, bis die Verbesserungen die Menschen erreichen. Für mich ist es wichtig, dass die Menschen im Umfeld der Bergwerke sehr schnell von der Entwicklung profitieren, dass sich ihre Lebenssituation bald verbessert.

Der Uranabbau in Tansania war ein weiteres heiß diskutiertes Thema.
Ich habe den Eindruck, dass die Gefahren beim Uranabbau mit den Gefahren bei der Uran-Anreicherung gleichgesetzt werden. Dies ist nicht dasselbe, da sind weitere Informationen notwendig.

Wie kann denn sichergestellt werden, dass die Bevölkerung, die im Umfeld der ausländischen Uranminen lebt, geschützt wird?
Durch die entsprechenden Umweltgesetze, die eingehalten werden müssen. Sie sollten nicht vergessen, dass es bei uns eine doppelte Kontrolle der Uranminen gibt: Erstens die Kontrolle durch die Regierung und zweitens die Kontrolle durch die Internationale Atomenergieorganisation. Sie würde tätig werden, wenn die Regierung bei ihrer Kontrolle nachlassen würde. Es gibt also eine doppelte Kontrolle.

Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Tansania 25 Millionen US-Dollar in den Bau eines ersten Erdwärmekraftwerks stecken will und weitere 25 Millionen Dollar in die Bereiche Sonnenenergie und Wind. Welche Rolle spielen erneuerbare Energien?
Unsere Zukunft liegt im Energiemix und deshalb sind erneuerbare Energien äußerst interessant. Es gibt große Chancen für Windenergieprojekte in Tansania. Wir bauen nicht nur auf Wasser- und Gaskraftwerke, sondern auch auf Kohle und Sonnenenergie. Wind und Sonne sind gerade für den ländlichen Raum, für unsere Dörfer sehr interessant, mit kleinen isolierten Einheiten.

Den Medien war zu entnehmen, dass die Steuern für den Abbau der Rohstoffe auf 30 % erhöht werden sollen, z.B. für Goldminen, die schon mindestens fünf Jahre in Betrieb sind. Wie haben die Konzerne auf diese Ankündigung reagiert?
30 % gelten bereits jetzt. Natürlich werden aber die Kosten für den Bau einer Mine und die bereits gezahlten Steuern berücksichtigt. Es gibt aktuell keine Probleme mit den Betreibern der Bergwerke.

Beim gegenwärtigen Grenzkonflikt mit Malawi über den Grenzverlauf im Nyassasee geht es vermutlich um Öl?
Im Nyassasee werden tatsächlich größere Ölvorkommen vermutet. Malawi bezieht sich auf die koloniale Grenzziehung im Rahmen des Sansibar-Helgoland-Vertrages und beansprucht den gesamten See für sich. Tansania sieht die Grenze hingegen in der Mitte des Sees, was dem internationalen Recht für Binnengewässer entspricht.

Gehen Sie von einer friedlichen Lösung des Konflikts aus?
Es ist durchaus möglich, dass sich Malawi und Tansania untereinander einigen. Sollte dies nicht möglich sein, müsste eine Schlichtungsstelle angerufen werden. Wir streben auf alle Fälle eine friedliche Lösung an.

Wie kann Deutschland den Entwicklungsprozess Tansanias unterstützen?Deutschland sollte uns bei der Bildung unterstützen. Im sehr wichtigen Bereich der Gesundheit – aber nicht nur da. Wenn wir verhindern wollen, dass alle Rohstoffe unser Land verlassen und als fertige Produkte teuer aus dem Ausland wieder importiert werden müssen, müssen wir unsere eigene Industrie aufbauen. Dafür fehlen uns gegenwärtig aber noch die Fachkräfte. Wir brauchen dringend Ingenieure, vor allem im Bereich Gas und Öl. Das können wir nur durch eine enge Zusammenarbeit erreichen.

Haben Sie einen ganz konkreten Vorschlag?
Ja, ich schlage vor, dass Deutschland pensionierten Professoren und Lehrern anbietet, nach Tansania zu kommen und an unseren Universitäten Lehramts- und Ingenieursstudenten auszubilden. Das wäre eine sehr große Hilfe und zudem auch noch sehr nachhaltig.

Was wartet nach Ihrer Abreise aus Deutschland in Tansania auf sie?
Bis zum Jahresende müssen noch verschiedene Projekte abgeschlossen werden. Mein Urlaub beginnt daher erst Weihnachten.

Die Feiertage verbringen Sie dann in Ihrer Heimat in den Usambara-Bergen?
Auf alle Fälle! Ich verbringe die Feiertage mit meiner Familie und kümmere mich darum, dass in Lushoto meine neue "Avocado-Lodge" eröffnet wird.

Herr Nyelo, vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Rudolf Blauth am 27.11.2012

Zur Person:
Godwin Nyelo, geb. in Bumbuli (Usambara-Berge), Geologe und Master of Business Administration mit Studium in Tansania, Deutschland und Schottland, ehem. Kommisar für Mineralien in Tansania, Vorsitzender für gesetzliche und fiskalische Angelegenheiten im Ministerium für Energie und Mineralien, ehem. GEMAP-Controller in Liberia, Landesmanager bei URANEX (australischer Uran- und Steinkohlebergbau in Tansania), Direktor in mehreren tansanischen Bergwerken und Mitglied im neuen zehnköpfigen Mining Advisory Board (MAB) der Regierung von Tansania. In seiner Freizeit engagiert sich Godwin Nyelo in seiner evangelischen Kirchengemeinde in Daressalam, die unmittelbar neben dem Zementwerk an der Bagamoyo Road gerade eine neue große Kirche gebaut hat.