Tansanische Feuchtgebiete

Jakob Ejersbo, "Liberty"
Verlag btb, München 2016 (Neuauflage)
864 S., 11,99 EUR (TB)

Meine Güte, was für ein Buch: 864 Seiten und doch nur der erste Teil einer Trilogie. Die weiteren Bände „Exil“ und „Revolution“ sollen dann 2012 folgen. Der Autor Jakob Ejersbo, der viele Jahre selbst in Tansania gelebt hat, ist Träger des Dänischen Buchpreises und erhielt für seine Tansania-Trilogie den Großen Preis des Dänischen Rundfunks. Mit den drei Büchern stand er wochenlang auf Platz 1 der dänischen Bestsellerliste.

Also endlich der anspruchsvolle, lang erwartete Roman, der sich einmal nicht mit der Kolonialgeschichte, sondern mit der Entwicklung des unabhängigen Tansania auseinandersetzt? Sozusagen der Roman zum 50. Unabhängigkeitstag des Landes?

Leider weit gefehlt! Zwar schildert der bereits 2008 im Alter von nur 40 Jahren verstorbene Autor ein ungeschminktes Tansania, ein Tansania voller Widersprüche, ein Tansania voller Armut, Korruption und seinen unendlich vielen Alltagsproblemen. Und auch wird jeder auf seine Kosten kommen, der schon immer der Meinung war, dass die skandinavische, insbesondere die dänische Entwicklungshilfe schon immer selbst ein Hort von Korruption, Menschenverachtung und Funktionalisierung tansanischer Menschen gewesen ist. Auch wer glauben will, dass das evangelische KCMC-Hospital in Moshi in den 80er Jahren nur dann schwarze Patienten behandelt hat, wenn sie das Bestechungsgeld gleich mitgebracht haben, liegt bei „Liberty“ absolut richtig.

Ein weiterer eurozentristischer Blick auf Schwarzafrika

Doch so richtig tief in die Dreckkiste hat der Autor erst bei den seitenlangen Schilderungen sexueller Beziehungen (mit zum Teil pornografischen Szenen) zwischen weißen Entwicklungshelfern und schwarzem Hauspersonal gegriffen. Von den 864 Seiten dürften sich wohl über 200 Seiten alleine diesem Thema widmen - und man kann eigentlich nur zu dem Ergebnis kommen, dass sich jeder skandinavische Entwicklungshelfer (und dessen Frau) von morgens bis abends nur mit der einen Frage beschäftigt, wie er den/die nächsten Tansanier/in flachlegen kann – vorausgesetzt, die hilfreichen Europäer sind überhaupt einmal nüchtern, weil sie den größten Teil ihrer gut bezahlten Tätigkeit in der Kneipe oder im Puff verbringen, Partys feiern oder sich in der Sauna besaufen - während die eigentliche Arbeit von vollkommen unterbezahlten und bis an die Grenze zum Sklavenhaltertum ausgenutzten einheimischen Vorarbeitern erledigt wird.

Aber auch die Tansanier kommen in dem Buch keineswegs besser weg: Schwarze Männer sind vor allem scharf auf „weiße Papayas“ und schwarze Frauen lauern an jeder Ecke auf den weißen Mann, weil sie sich von ihm eine bessere Zukunft in Europa versprechen.

Das Buch ist voll gestopft mit Klischees (was überhaupt nicht heißen soll, dass das eine oder andere beschriebene Ereignis in der Realität nicht vorkommt) und damit eigentlich auch wieder nur ein weiterer eurozentristischer Blick auf Schwarzafrika. Vermutlich müssen doch irgendwann die Tansanier ihre eigene Geschichte selbst schreiben.