Sibylle Knauss, "Eden"

Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2009
384 S., 16,51 EUR

Evolutionsroman auf der Suche nach Ursprung, Sinn und Glück des Menschen

Von Martin Roos

Versteinerte Knochen, alte Steine, Zeugen uralter Zeit, Millionen von Jahren in Schlamm und Lehmschichten versteckt. Fund-stücke – schmutzig, dumpf, tot. Und doch wertvoll, vielsagend, faszinierend und voller lebendiger Geschichten. In ihrem Evolu-tionsroman "Eden" zeigt Sibylle Knauss am Beispiel der briti-schen Archäologin Mary Leakey, dass das Leben der Vormen-schen uns alle angeht.

Wer sich einmal der Leidenschaft der Archäologie und dem unbeschreiblichen Glücksgefühl, das eine Entdeckung auslöst, vermochte hinzugeben, wird verstehen, warum die Britin Mary Leakey (1913-1996) ein außergewöhnliches Leben führte. Eine Frau, die Prähistorie im Blut hatte. Eine Frau, die leidenschaftlich liebte. Eine Wissen-schaftlerin, die heute als eine der besten auf ihrem Gebiet gilt.

Der Schriftstellerin Sibylle Knauss ist es zu verdanken, dass diese phänomenale Paläoan-thropologin pünktlich zum Darwin-Jahr wiederentdeckt werden kann. In ihrem vielschich-tigen Evolutionsroman führt sie poesievoll den Leser nicht nur auf die Spuren der großen Wissenschaftlerin Leakey in Kenia und Tansania, sondern spürt auch zentrale Themen des Lebens auf: die Frage nach Ursprung, Sinn und Glück der Gattung Mensch.

Ein kluger und sinnlicher Roman

Der Roman besitzt zwei Handlungsstränge, die das Heute mit dem Gestern vor Millionen von Jahren verbinden. Zum einen geht es um Leakeys Leidenschaft für die Archäologie und die schwierige Beziehung zu ihrem zehn Jahre älteren Ehemann Louis. Wie Mary war er Archäo-loge, allerdings berühmter und ständig untreu. In der zweiten Erzählebene entwickelt Knauss die mögliche Geschichte der Vormenschen – inspiriert durch die tatsächlichen Funde Mary Leakeys 1978 in Laetoli in Tansania. (...)

„Das ist es. Das ist es, Mary, was wir immer gesucht haben. Die Familie. Dreieinhalb Millionen Jahre alt“, sagt Louis zu seiner Frau. Ein zentraler Satz, der nicht nur zeigt, dass die Suche der Leakeys nach dem Vormenschen das Geheimnis der Schöpfung und der Geburt des Menschen lüften soll, sondern dass diese Suche auch immer eine Suche nach sich selbst ist: Zwar gründen Louis und Mary eine Familie, doch mit Leben füllen können sie sie nicht. Die große Sehnsucht nach Harmonie bleibt aufgrund der ehrgeizigen beruflichen Interessen, die kein Privatleben zulassen, ungestillt. (...)

Der kluge und sinnliche Roman verdeutlicht durch die Verwebung von gestern und heute, dass der Blick zurück hilft, die Eitelkeit der Gegenwart zu überwinden.

Aus: „Handelsblatt“ vom 15.2.2009