Hans Christoph Buch, "Sansibar Blues oder: Wie ich Livingstone fand"

Eichborn Verlag, Frankfurt a. M. 2008. 247 Seiten, 28,00 EUR

Hans Christoph Buch unternimmt einen Ausflug in die Geschichte der afrikanischen Insel Sansibar

Es ist eine so abenteuerliche wie traurige Safari, zu der Hans Christoph Buch in „Sansibar Blues“ einlädt. Unter den deutschen Schriftstellern ist er der beste Kenner jener Straßen, die in die alt- und neukoloniale Welt Afrikas führen. In Reportagen und Essays, die in seinen Sammelbänden „Blut im Schuh“ (2001) und „Black Box Afrika“ (2006) erschienen sind, hat er über Bürgerkriege und Massaker, UNO-Einsätze und Flüchtlingslager auf dem Kontinent berichtet.

Der neue Roman erinnert strukturell an sein Buch „Kain und Abel in Afrika“ (2001), das von den Folgen des Völkermords in Ruanda handelt. Wie dort gibt es auch hier einen zeitgenössischen Erzähler, der nach Afrika reist und in der zweiten Person Singular berichtet, einer in der epischen Literatur seltenen Form. (...) Eindrücke aus der Gegenwart werden mit Erfahrungen der Vergangenheit konfrontiert. So erinnert der Roman nicht nur der Gefühlslage und dem Thema nach, sondern auch im Aufbau an einen Blues, in dem verschiedene Stimmen sich ergänzen und korrigieren. (...)

Die Persönlichkeiten, die dem ostdeutschen Hans Dampf über den Weg laufen, sind bekannt: der in fast jeder Publikation Buchs auftauchende Che Guevara (er versucht sich gerade als Revolutionsexporteur), der amerikanische Diplomat, Politiker und Geschäftsmann Frank Carlucci (er hatte einige Jahre zuvor für den CIA im Kongo gearbeitet und brachte es später bis zum US-Verteidigungsminister) und der schon wegen seines Buches „Afrikanisches Fieber“ unvergessliche, vor zwei Jahren verstorbene polnische Schriftsteller Ryszard Kapuscinski. (...)

Zu den Ich-Erzählern gehört auch Emily Ruete. Ihr Leben dürfte der Autor aus ihren Erinnerungen „Leben im Sultanspalast. Memoiren aus dem 19. Jahrhundert“ kennen. (...) Buch gelingt es, für sie als Privatperson Sympathie zu wecken und gleichzeitig ihren Stellenwert als politische Figur auszumachen. Wann immer Buch Begegnungen mit Bismarck erfindet – hier mit Emily Ruete –, wird es spannend. (...)

Die dritte Stimme gehört dem Kaufmann Tippu Tipp. Er war durch Sklavenhandel und Geschäfte mit Elfenbein zu Reichtum und Einfluss gelangt, und sein Handelsimperium am Tanganyika-See sowie seine Kongo-Residenz in Nyangwe waren Zentren afrikanischer Politik von den 1860er bis zu den 1890er Jahren. Ihn kennt der Autor durch die Monografie „Tippu Tipp. Lebensbild eines zentralafrikanischen Despoten“ von Heinrich Brode. Buch zeigt Tipp in Kontakt mit allen bekannten Dunkelmännern und Wohlmeinenden, die die afrikanische Welt heimsuchten – von Henry Morton Stanley über Leopold II und Hermann Wissmann bis zu David Livingstone und Eduard Schnitzer (Emin Pascha).

Das Dokudrama, das dieses Buch entfaltet, drängt sich nie mit vorgefassten Meinungen auf und überlässt es dem Leser, die Stimmen der Gegenwart mit denen der Vergangenheit zu verbinden. Es ist eine Dichtung, die oft in den Duktus des Märchens verfällt, und in der nicht nur der Wahnsinn und die Tragik der Kolonialisierung, sondern auch ihre (oft unfreiwillige) Komik konturiert wird.

Aus: „Tagesspiegel“ vom 14.12.2008


Weitere Pressestimmen

„Ein gehöriges Kuddelmuddel von Stimmen, Perspektiven und Zeiten, in dem man sich zwar leidlich zurechtfindet, mit dem man aber nie recht glücklich wird.“
Merten Worthmann in „Süddeutsche“ vom 27.1.2009
Die Buchbesprechung:
„Der Hans Dampf und die Liebesgöttin

Dieser perfekt austarierte 'Sansibar-Blues' kennt bei aller (scheinbaren) Improvisation sehr wohl seine Grundmelodie und wiederkehrenden Motive“
Marko Martin in „Welt online“ vom 24.1.2009
Die Buchbesprechung:
„Sultan, Stasi, Sex“