Berlie Doherty, "Das Mädchen, das Löwen sah"

Beeindruckend und bewegend

Einen herausragenden Roman für Jugendliche und Erwachsene hat die bekannte, mehrfach preisgekrönte britische Autorin Berlie Doherty geschrieben: „Das Mädchen, das Löwen sah“ setzt

sich äußerst bewegend mit der Realität von Kindern in Tansania, mit dem Leben afrikanischer Kinder in Europa, mit dem Thema Armut, Aids und Tod auseinander.

„Sei stark, meine Abela.“ Das sind die letzten Worte von Abelas Mutter in dem kleinen tansanischen Dorf bei Korogwe am Fuße der Usambara-Berge, in dem das Aids-Virus bereits so viele Opfer gekostet hat. Abela braucht all ihre Kraft, als ihr Onkel sie nach dem Tod der Eltern als illegale Einwanderin nach Europa schickt.

Auf meisterhafte Weise schildert die Autorin, zweifach ausgezeichnet mit der renommierten Carnegie-Medaille und der Ehrendoktorwürde der Universität von Derby, die Träume und Ängste zweier Mädchen aus zwei ganz unterschiedlichen Welten und schafft ein unglaubliches Leseerlebnis: kraftvoll, bewegend, aufrüttelnd.



Buchbesprechung:
„Ein starkes Plädoyer für Menschlichkeit“

VonKarin Hahn

Mitfühlend und sehr genau charakterisiert die Autorin ihre glaubwürdigen Hauptfiguren und gibt dem Leser auch die Zeit, sie langsam kennen zu lernen. Durch den Wechsel der Handlungsorte, mal das kleine Dorf in Tansania, dann wieder Sheffield, gewinnt die Handlung an Dynamik. Rosas innerer Kampf gegen die familiären Veränderungen werden anschaulich und mit Verständnis offen gelegt, aber auch Abelas tiefe Einsamkeit und Hilflosigkeit auf ihrer unfreiwilligen Irrfahrt.

Differenziert zeigt Berlie Doherty das von der Krankheit Aids geplagte Land, die Bedrängnis der Familien, die in ihren Traditionen verhaftet bleiben und um ihre Würde kämpfen. Aber Berlie Doherty lässt den Leser auch die Nähe und tiefe innere Verbindung der Menschen zur Natur spüren. Und so entsteht vor dem inneren Auge, besonders durch den Perspektivwechsel und das Konstruktionsprinzip, aus dem Blickwinkel der Mädchen zu erzählen, nach und nach ein Gesamtbild. Ein wissender Erzähler verknüpft die Handlungsfäden.

Mit Distanz und Empathie bleibt die britische Schriftstellerin nah an ihren Protagonisten. Aus ihrer Denkstruktur heraus entwickelt sie eine glaubhafte Handlung, zeigt aber auch die unterschiedlichen gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen die Mädchen leben. Sehr deutlich wird die Schutzlosigkeit und seelische Zerrissenheit, der Abela ausgeliefert ist, aber auch ihre Verlust- und Fremdheitserfahrungen.

Berlie Doherty erzählt ohne pädagogischen Zeigefinger und atmosphärisch dicht. Beiden Mädchen fällt es schwer, ihre Gefühle zu zeigen, ihr Innenleben nach außen zu tragen. Indem sie nach Orientierung suchen und ihre Empfindungen zu Papier bringen, gewinnen sie an Klarheit.

Fazit:

Berlie Doherty erzählt unterhaltsam, anschaulich und vor allem unsentimental vom Leben in unterschiedlichen Welten. Sie vermittelt dem Leser einen Blick über den Tellerrand, ohne zu moralisieren oder gar zu belehren. Sie spart nichts aus und doch ist der Grundton der Geschichte optimistisch. Ein starkes Plädoyer für Menschlichkeit!


Nominierung für mehrere Literaturpreise

Die englische Originalfassung des Buches „Das Mädchen, das Löwen sah“ wurde für die folgenden britischen Literaturpreise nominiert:

- Blue Peter Book Award
- The Machester Book Award 2009
- The Coventry Inspiration Book Award
- Catalyst Award 2008
- Stockport Award 2008