"Mal elegant, mal erotisch"

Es gluckst und blubbert, und flink spritzt Marque Lowenthal Klaviertropfen hinzu, lässt Robin Draganic dicke Kontrabass-Blasen aufsteigen und Torsten Zwingenberger Schlagzeug-Strudel rauschen. Das Märchen vom Tunfisch "Tale Of The Tuna": eine Unterwasser-Laune, die an Walgesänge erinnert. Zuerst tritt Lyambikos Stimme aus dem Bühnenschatten im Frankfurter Hof, dann ihr Körper im engen blauen Overall. Die experimentell gestaltete Ouvertüre ist einer der 15 Songs ihres soeben erschienenen vierten Albums "Love... and Then", auf dem sich zum großen Teil Eigenkompositionen finden. Ansonsten wird im Live-Programm in charakteristischen Interpretationen aus einem popigen Repertoire an Jazz-Standards zitiert.

Klassiker wie "Blue Moon" und zeitgenössische Stücke wie "Give it up" von dem Berliner Musikerkollegen Finn Wiesner. Diese Komposition des Saxophonisten nutzt selbstbewusst ihren packenden Groove aus, um dem Publikum eine Handvoll sperrige, beinahe avantgardistisch anmutende Fender-Rhodes-Klänge zuzumuten.

Ähnlich wie die Umsetzung der Arrangements funktioniert auch das Bandkonzept: Lyambiko ist das charismatische Aushängeschild, mit dem das vorher schon als souverne Einheit funktionierende Jazz-Trio Lowenthal, Draganic, Zwingenberger neu etikettiert wurde. Die Früchte dieser Symbiose zeigten sich als Debt-Album "Out of this Mood", das 2002 von der Jazzwelt begeistert aufgenommen wurde.

Die Berlinerin deutsch-tansanischer Abstammung gestaltet ihre Artikulation geschmeidig geschwungen. Ihr trockener Alt schwingt samtig zart, vibriert sich bisweilen in die Spitzen der zweigestrichenen Oktavlage hoch. Erotisch in entspannten Balladen, grazil in elegantem Swing und ironisch in temperamentreichem Funk.

Verschlafen wie Sonntagmorgen, als Musik zum im-Bett-bleiben, schlurft sich Lowenthals Langschlfer-Swing "Id Rather Stay In Bed" in die Pause. Das Eingangs chansoneuse Pianosolo wechselt allmhlich in einen anstelligen Boogie Woogie ber und kriegt am Ende vom Schlagzeug ein straffes Pop-Rhythmus-Korsett umgeschnürt, durch Percussions mit brasilianischem Aroma gewürzt.

Lyambikos Ansagen wirken wenig abgestimmt auf die eher romantische Natur der Musik. Kindhaft launisch, aber ebenso einfühlsam versteht sie es, die Konsonanten zierlich in den Ohren kitzeln zu lassen und swingt trotzig schräg "Its Snowing On Me".

Andreas Schermer in "Main-Rheiner" v. 14.3.2006


Mehr als ein Fräuleinwunder

Die Berliner Jazzsängerin Lyambiko und ihr neues Album "Love. And Then"

Von Christian Buss

Jazz verkauft sich seit einiger Zeit ja wieder ganz hervorragend, zumindest wenn seine Interpreten weiblich sind. Zwischen all den Fräuleinwundern, mit denen man hierzulande den Verheißungen des neuen Marktes nachkommen will, bildet sie die wunderbare Ausnahme: Lyambiko, deutsch-tansanische Sängerin mit Wohnsitz in Berlin, klingt nicht so, als wolle sie mit ihrem Gesang die Wände von Supermärkten tapezieren. Ihre stimmlichen Modulationen, hörbar an Billie Holiday, Sarah Vaughan und vor allem Abbey Lincoln geschult, sind niemals Selbstzweck. Die Musik folgt den Worten - und doch kann sie diesen auch neue, ungeahnte Bedeutungen erschließen. Das ist es schließlich, was die Größe einer Jazz-Sängerin ausmacht. Eine Melodie ist niemals nur eine Melodie.

Sowohl auf ihrem ersten tollen Album als auch auf ihrem zweiten tollen Album variierte Lyambiko Anfang des Jahrzehnts "Afro Blue", jene Hymne ans motherland, die Ende der 50er Abbey Lincoln bekannt gemacht hat. Die Wahlberlinerin gab dem Klassiker einen ganz eigenen sehnsuchtsvollen Klang. Auf ihrem folgenden Debüt für den SonyBMG-Konzern, unter hohem Druck eingespielt, konnte sie den delikat in Szene gesetzten Standards keine eigene Note abgewinnen. Schöne Stimme, schaler Klang.

Umso erfreulicher, dass sie sich für ihr zweites Major-Werk gesanglich wieder weiter hinauswagt: "Love. And Then" handelt von Sehnsucht und Selbstaufgabe, Verlustängsten und Vereinigungsprozessen. Also von all dem, was man unter dem Oberbegriff Liebe zusammenfasst. Interessanterweise interpretiert Lyambiko zu diesem Zweck nur wenige Evergreens ("Never Let Me Go"!) und setzt verstärkt auf unbekannte Songs zeitgenössischer Berliner Komponisten. Die meisten stammen von dem Saxofonisten Finn Wiesner, dessen sportive Akkordik und unsentimentale Lyrics die Sängerin zu interessanten Erkenntnissen befördert haben. Im grandiosen "Lost Melody" etwa stemmt sich Lyambiko mit den Worten "Singing my melody I can not find an ending/All the notes that would comfort me are lost in an empty chordö gegen die zyklischen Basslinien ihres Bassisten Robin Draganic. Alle vertrauten Töne sind verloren in einem leeren Akkord: Brillant, wie diese Reflexion über die Musik sich in eine Reflexion über zwischenmenschliche Dynamiken verwandelt. Das macht den komplett klischeefreien Jazz von Lyambiko inmitten all der freudlosen deutschen Fräuleinwunder zu einer aufregenden Angelegenheit.
Die Musik auf "Love. And Then" ist ein schönes Abenteuer. Du kannst nicht sicher sein, wo sie dich am Ende hinführt. Wie die Liebe.

Aus: "Berliner Zeitung" v. 27.2.2006


 Jazz-Musikerin Lyambiko nach ihrem ersten Besuch in Tansania:

"Jetzt ist bei mir innere Ruhe eingekehrt"

Frage: Schildern Sie doch bitte erst noch einmal, wie Sie auf Ihren Vater in Tansania aufmerksam wurden.

Lyambiko: Es war purer Zufall. Ich wusste nicht, wo er wohnt, und ob er überhaupt noch lebt. Nach einem Konzert in der Berliner Philharmonie Anfang letzten Jahres unterhielt ich mich mit einem Zuhörer, der schon öfter in Tansania war. Kurz darauf erzählte er einer tansanischen Bekannten von unserer Begegnung, die dann doch tatsächlich aus der Stadt kam, in dem mein Vater wohnt! So hatte ich dann zwei Wochen später die Telefon-Nummer und die E-Mail-Adresse meines Vater und konnte zum erstenmal nach 26 Jahren wieder mit ihm reden.

"Mit Wasserfilter haben wir uns auf Notfälle vorbereitet"

Frage: Wie haben Sie sich auf Ihre erste Tansania-Reise vorbereitet?

Lyambiko: Ich war furchtbar aufgeregt! Es war meine erste weite Reise, und zur Sicherheit habe ich mich erst einmal entschlossen, meinen Freund mitzunehmen. Wir lasen alle möglichen Reiseführer und gingen in mehrere Reiseshops, um uns mit Wasserfiltern etc. auf Notfälle vorzubereiten (lacht).

Frage: Schildern Sie bitte Ihre ersten Eindrücke, als Sie am Kilimanjaro-Airport ausstiegen.

Lyambiko: Moskitos, Moskitos, Moskitos. Mein Freund wollte gleich wieder zurück fliegen (lacht). Aber dann war da mein Vater am Flughafen, das war wahnsinnig. Ich kannte ihn ja nur von Fotos und hatte ihn mir viel größer vorgestellt. Aber ich habe ihn sofort wieder erkannt, und er nahm mich dann auch sofort in seine Arme. Dieser Empfang hat alle Hemmungen schwinden lassen.

Frage: Wie haben Sie sich mit ihm verständigt?

Lyambiko: Auf Englisch. Er kannte nur noch ganz wenige deutsche Ausdrücke wie "Ich bin eingerostet" oder "Herr Oberkellner". Er ist ein sehr lustiger Mensch.

"Erst einmal erfuhr ich, dass ich noch 13 Geschwister habe!"

Frage: Wurden Sie von der Familie Ihres Vaters freundlich aufgenommen?

Lyambiko: Mein Vater ist von Morogoro zur Familie seiner Frau nach Mwanga gezogen, das liegt zwischen Same und Moshi am Fuße der Pare-Berge. Erst einmal erfuhr ich, dass ich 13 Geschwister habe! Mwanga besteht aus einer Alt- und einer Neustadt. Mein Vater lebt in der Altstadt zusammen mit seiner Frau, ihren Eltern, seinem Schwager und dessen Frau sowie deren drei Kindern. Eine riesige Familie, die uns sehr nett aufgenommen hat. Besonders mit den Großeltern haben wir viel gelacht, obwohl sie kein Wort Englisch sprachen.

Frage: Unter welchen Bedingungen lebt Ihr Vater mit seiner Familie?

Lyambiko: Sehr einfach ohne fließendes Wasser, aber immerhin mit Strom und sogar einem Fernseher, in dem es aber nur ein Programm gibt. Auch das Vieh lebt am Haus, in dem wir eine Woche gewohnt haben.

Frage: War das für Sie kein Kulturschock?

Lyambiko: Weniger für mich als für meinen Freund. Dabei muß ich sagen, dass sich alle unheimlich viel Mühe gegeben haben. Selbst zum Waschen wurde uns abgekochtes Wasser gebracht. Und mein Vater hat sehr auf unsere Sicherheit geachtet.

Frage: Wie sind Sie mit der Armut klar gekommen?

Lyambiko: Das hat mich in der Tat stark belastet. Natürlich sind wir reich im Vergleich zu meinem Vater und seiner Familie. Obwohl ich ihn etwas unterstützt habe, fühlte ich mich doch in gewisser Weise schuldig, dass es mir so gut geht und die anderen so wenig haben. Man entwickelt einfach das Bedürfnis, alles geben zu wollen.

Frage: Einige Bemerkungen zur Landschaft, zur Natur Tansanias?

Lyambiko: Traumhaft schön, paradiesisch - sieht man einmal vom Umgang mit Müll ab. Oder von den Abgasen des Linienbusses, der in Moshi 1-2 Stunden seinen Motor laufen lässt. Zwei Tage sind wir auch auf Safari gegangen, wir waren im Tarangire Nationalpark, am Lake Manyara und im Ngorongoro-Krater, wo mir aber zu viel Verkehr herrschte.

"Ich habe die Jackfruit für mich entdeckt"

Frage: Von den Pare-Bergen ging es dann nach Sansibar?

Lyambiko: Ja. Wir haben eine Spice-Tour gemacht, die paradiesisch war, während mir Stonetown schon zu touristisch vorkam. Zwei Tage verbrachten wir an der Ostküste, es war wirklich traumhaft: wir ganz alleine an einem weiten weißen Strand! Und ich habe die Jackfruit für mich entdeckt. Ich habe überhaupt alle mögliche Pflanzen und Samen gesammelt und mit nach Deutschland genommen. Ich versuche gerade, die Jackfruit in Berlin zu züchten, sie wächst wie verrückt.

Frage: Haben Sie kulturell etwas von Sansibar mitbekommen?

Lyambiko: Leider nicht. Wir waren zwar in der Musikschule, konnten dort aber keine weiteren Informationen bekommen. Künstler lernten wir nicht kennen.

"Die Tänze haben mich begeistert"

Frage: Und dann ging es zum Festival nach Bagamoyo?

Lyambiko: Bagamoyo hat mich sehr beeindruckt, die Gebäude, die Geschichte, das Museum. Wir haben uns mehrere Veranstaltungen beim Festival angesehen und uns dort auch mit dem Leiter der Einrichtung, Juma Bakari, unterhalten, der uns sehr freundlich empfangen hat. Bei den Theateraufführungen fehlten uns natürlich die Sprachkenntnisse. Musikalisch war ich eher enttäuscht. Aber die Tänze haben mich begeistert.

Frage: Die Tansania-Reise hat sich also nicht auf Ihre musikalische Arbeit in Deutschland ausgewirkt?

Lyambiko: Nicht direkt. Natürlich ist einiges hängen geblieben, natürlich wird man beeinflusst. Dies spielt sich aber eher im Unterbewusstsein ab. Wir haben auch ein Konzert in Dar es Salaam besucht, das war mir z.B. viel zu laut. Ansonsten begegnete ich der Musik noch in Form des Kirchenchores meines Vaters in Mwanga. Da mein Freund Tontechniker ist, haben wir eine Probe mitgeschnitten, und er hat nach unserer Rückkehr meinem Vater eine CD und eine Kassette geschickt, worüber dieser sich sehr gefreut hat.

Frage: Planen Sie mit Ihrer Band selbst am Festival in Bagamoyo teilzunehmen?

Lyambiko: Juma Bakari schien nicht abgeneigt, als ich ihn darauf ansprach. Aber erst einmal reise ich hoffentlich mit meiner Band nach Japan und Singapur.

"Ich habe mich in das Land verliebt"

Frage: Wie hat Sie ganz persönlich die Tansania-Reise verändert?

Lyambiko: In unserem letzten Interview vor einem Jahr habe ich gesagt: "Tansania ist ein Teil von mir, das ich gegenwärtig noch suche." Dieses Teil habe ich jetzt entdeckt, und ich fühle mich jetzt vollkommen und friedlich. Ich habe mich jahrelang gefragt, wer wohl mein Vater ist, wo er wohnt, ob er noch lebt. Ein Teil von mir fehlte einfach. Jetzt ist bei mir innere Ruhe eingekehrt.
Außerdem habe ich mich in das Land verliebt, und ich möchte regelmäßig nach Tansania reisen, auch länger als nur drei Wochen. Vielleicht kann ich ja auch einmal einen Kurs am College belegen. Gerne würde ich demnächst an der Hochzeit meines Vaters teilnehmen, realistisch gesehen werde ich aber wohl erst 2006, spätestens aber 2007 wieder nach Tansania reisen.

Lyambiko, vielen Dank für das Interview!

(Das Interview führte Rudolf Blauth im Mai 2005)


"Lyambiko schenkte atemberaubenden Abend"

„Love ... and then“ – fast programmatisch wirkt der Titel der neuesten CD, mit der die „Helena unter den Jazzern“ Lyambiko am vergangenen Freitag im Hockenheimer Kulturzentrum „Pumpwerk“ die Nacht zum hellen Tag machte: Mal als Frage, mal als verlockende Aussicht formuliert, hat sich die vierte, zum zweiten Mal bei Sony Classical erschienene Scheibe, durch das zweieinhalbstündige Programm gezogen.

Natürlich hatte die Ausnahmekünstlerin mit den afrikanischen Wurzeln wieder einmal keine Probleme, den Musentempel nicht nur zu füllen, sondern auch die richtige, angeheizte und gespannte Stimmung einziehen zu lassen. Mit dem Opener „Tale Of The Tuna“ aus der Feder des Pianisten und kongenialen musikalischen Gesprächspartners Marque Lowenthal machte die gefeierte Jazz-Combo bereits das, wofür andere Musiker oft lange brauchen: Sie fesselte, fokussierte alle Spannung auf die Bühne, ließ aufhorchen und bereits so früh ein Verlieren im Klangraum nicht nur zu, sondern erzwang es fast schon.

Wer dennoch aufmerksam bleiben konnte, dem entging nicht, dass sich bezüglich der nach wie vor spartanischen, aber doch bemerkenswerten Bühnendramaturgie einiges getan hat: Die Sängerin und unangefochtene Frontfrau Lyambiko stand bei diesem Auftritt auffallend häufig im Dunklen, war teilweise gar nur aus dem Off zu hören. Kann sein, dass die überschwänglichen Huldigungen der markanten Schönheit der jungen Frau einer Vollblutmusikerin etwas auf die Nerven gefallen sind. Insofern wollen wir es diesmal auch nur ganz kurz abhandeln und nichts darüber schreiben, dass die etwas momohafte Frisur ins Auge fiel, dass ein feines Prickeln durch die Publikumsreihen lief, weil die sonst immer so versteckt-mystisch wirkende Schöne diesmal auch den direkten Draht zum Volk suchte und es wie immer alles in allem ein Rausch der Sinneseindrücke war, die Lyambiko hinterließ. Kein Wort davon!

Im Zentrum standen diesmal – wie schon bei den Konzerten zuvor - nämlich nicht die Frau, sondern die Stimme, die außergewöhnliche Musik und die atemberaubend phantasievollen Improvisationen.

So punktete man mit dynamischen Titeln wie „Give it up“, mit dem Lyambiko eine fast fremde, nasale Stimme zum ekstatischen Klangteppich ihres Pianisten Lowenthal gab, aber auch mit sanft-zerbrechlichen Stücken, die auf blauen Schwingen Zeilen ausgaben wie diese: „I lost, but I trust your peaceful eyes“. Hier konnte die junge Frau mit dem afrikanischen Vater, nach dem sie sich selbst nennt, mit ihrer warmen, bisweilen erdigen Stimme, die in allen Lagen so anschmiegsam und biegbar, aber auch durchzugsstark und feurig sein kann, am besten zeigen, welche emotionale Tiefe in ihr steckt.

Überhaupt ist die Bandbreite, mit der die Combo daherkommt, das ganz große Pfund, mit dem Lyambiko wuchern kann: Ob rassige Samba-Rhythmen oder fein-dunstige Blues-Schwaden, den vier Musikern entströmt stets etwas Mitreißendes. Dazu trägt ohne Frage die Flexibilität Lyambikos bei, sicherlich auch die neuen und abwechslungsreichen Titel des amerikanischen Pianisten Marque Lowenthal. Vor allem aber zeichnet für die Strahlkraft der so unterschiedlichen Stile die homogene und fast symbiotisch wirkende Zusammenstellung der Combo verantwortlich: Der ausgelassene Lowenthal, der so häufig in einen besonders intimen musikalischen Dialog mit der Frontfrau tritt, findet seinen Gegenpart im entspannten, meist unnahbar und distanziert wirkenden Drummer Torsten Zwingenberger, der zwar bisweilen auch zu percussiven Exkursionen neigt, der aber ansonsten einfallsreichen und grundsoliden Beat liefert – und in Verbindung mit dem kroatischen Kontrabassisten Robin Draganic, der seine phantastischen Bassläufe auch mal „nackt“ mit Lyambiko alleine präsentiert, das rhythmische Grundgerüst, auf dem Lowenthal und Lyambiko aufbauen können.

Wobei die neue Platte und dieses Konzert ein deutlicheres Hervortreten gerade der Rhythmusgruppe mit sich brachten: Der brandneue Titel „I’d rather stay in bed“, das Zwingenberger die Gelegenheit zu einem ausgelassenen, fast explosiv wirkenden Solo gab war dafür ebenso Beispiel, wie das schon zum Lyambiko-Klassiker avancierte „Love me or leave me“, das die vier augenzwinkernd, gewitzt und mit unwiderstehlichem Charme gaben.

Am Ende eines atemberaubenden Abends war die Frage beantwortet: „Love ... and then: Lyambiko“.

(Aus: "Parnass", 12/2006)


Helena spielt auf der Klaviatur der großen Gefühle

Es ist ein Wunder, wenn eine Jazz- und Bluesveranstaltung die Massen anzulocken vermag.Mitte Novemberhat sich ein solches im Hockenheimer Kulturzentrum "Pumpwerk" ereignet: Bis auf den letzten Stehplatz bevölkerte das Publikum den Musentempel ? ein feuerpolizeilicher Graus, der aber einer gigantischen Konzertatmosphäre den Nährboden verschaffte. Zugegebenermaßen war diese für den längst zur Nischengattung zurückgeschmolzenen Jazz doch ungewöhnliche Volkswanderung gut vorbereitet: Bereits in den vergangenen beiden Jahren hatte Kulturmanager Lothar Blank die Rennstädter bei den Jazz- und Bluestagen mit kleinen "Vorspeisen" der Formation, der diesmal ein ganzer Abend gehören sollte, "angefixt". Aber man darf ganz offen diesen schier unglaublichen Erfolg der unbeschreiblichen Qualität zuschreiben, die den Stars des Abends eigen ist: Die nach der Frontfrau benannte Jazz-Combo "Lyambiko" bringt nicht nur "The most beautiful voice in swing, latin and soul jazz", sondern auch enorm vielschichtige, atemberaubend schöne und immer wieder neue Musik, die in einer breiten Streuung unterschiedlichste Geschmäcker zu bedienen vermag.

Im Zentrum steht dabei ohne Frage die Sängerin und Frontfrau Lyambiko. Der Deutsch-Afrikanerin rollen die drei Instrumentalisten in ihrem Geleit den roten Teppich aus, sie machen sie mit jedem ihrer Töne zu ihrer Herzdame und versuchen alles, um sie ins Rampenlicht zu stellen. Es ist ganz selten, dass sich stimmliche Präsenz und sinnliche Erscheinung so perfekt verbinden ? an Lyambiko scheint alles makellos. Die schönste Frau, die die Pumpwerk-Bretter je gesehen haben, wickelt ihr Publikum nämlich nicht nur mit helenenhaftem Aussehen um den Finger, sondern vor allem vom ersten Ton an mit ihrer Stimme: Warm undein wenig rauchig, in den Höhen jedoch kristallklar und in allen Lagen extrem biegbar trägt sie mit jedem Ton ihre Emotion und ihr Herz vor sich her. Lockend, zärtlich, verführerisch, manchmal auch einen Hauch frivol ? das ist die Klaviatur der großen Gefühle, auf der Lyambiko drei Stunden lang in aller Ekstase spielte, mal mitreißend, mal beruhigend, mal lockend, mal vorantreibend. Wenngleich die "Queen of Voice" auf der Bühne wie im Leben stets etwas Unnahbares ausstrahlt, wird sie vom Publikum und der Kritik abgöttisch geliebt.

Das verdankt sie durchaus auch ihren drei "Buben": Dem bei aller Coolness und innerer Ruhe doch percussiv verspielten Drummer Torsten Zwingenberger, der gemeinsam mit Robin Draganic, der seinen grundsoliden Bass mit markanten, ungewöhnlichen Eskapaden garniert, die Rhythmusgruppe für den explosiven Pianisten gibt. Und vor allem auch diesem selbst: Marque Lowenthal ist der Meister der Tasten und mit seinen mal perlend leichten Singlenote-Folgen, mal hämmernd treibenden Akkorden stets der perfekte musikalische Gesprächspartner für die Sängerin. Zusammen hauchen sie die Seele, den Esprit und die Vitalität ein, die auf dem entspannten Grundton der Rhythmiker wilde Feste feiern. Mit seinem offenen Hemd und dem noch offeneren Wesen ist Lowenthal gleichzeitig auch optisch der Gegenpol zum relaxten Zwingenberger, der im Dreiteiler allenfalls einmal ein Lächeln über die Lippen zaubert. Zwischen diesen beiden Polen pendelt Lyambiko hin und her, gibt mal die kraftvoll explosive, dann wieder die mystisch geheimnisvolle. Und dennoch: Wenn sie Musik machen, dann scheinen die Vier vollständig in ihren Tönen zu versinken und die Welt um sich herum ganz zu vergessen ? was sich gut trifft, weil sich das Publikum mit geschlossenen Augen und entrücktem Gesichtsausdruck ohnedies längst verloren hat in den weiten Klangräumen, die Lyambiko eröffnet.

So interpretiert die Formation Klassiker des Genres auf eine ganz eigene, augenzwinkernde Weise, dreht "Blue Moon" durch den musikalischen Fleischwolf, um nach Fitzgerald, Sinatrah, Presley und Dylan eine Lyambiko-Version zu präsentieren, gibt aber auch Kostproben der eigenen Arbeit:Mit einem langen, sehr melodiösen, fast liedhaften Intro gab der rhythmische Titel "Holding up" aus der Feder des Bassisten Draganic einen der Höhepunkte des Konzerts und ein perfekte Beispiel von der im Februar erschienenen dritten CD der Truppe "Lyambiko". Ein Exempel für den starken Einfluss der multikulturellen Ingredienzien gleich anschließend die afrikanische Beschwörungs-Hymne "Maleika". In Bob Doroughs "Small day tomorrow" zog sich Lyambikos Stimme wie feine silbrige Fäden durch den blauen Tondunst ihrer Gentlemen ? fesselnd, um die Seele zu befreien. Es sind eben gerade diese immer neuen Höhen der Phantasie, mit denen die Musik der Gruppe so wertvoll gemacht wird.

Auch der jüngste Auftritt "Lyambikos", der endlich auch einen abendfüllenden Ausschnitt aus dem unerschöpflichen Kosmos der Combo präsentierte, endete in ausgelassenem Jubel, Pfeifen und donnerdem Applaus, in dem sich der Rausch und die berührte Ergriffenheit eines uneingeschränkt begeisterten Publikums Bahn brachen. Lyambiko ist und bleibt die Helena des Jazz und Blues.

Aus: "Parnass"  12/05


Lyambikos Raum aus Klang, Gefühl und Stimmung

Trotzdem, das war fast mit Händen zu greifen, machten auch die "Freygish Brothers" mit ihrem Auftritt die große Verbeugung für "her Majesty": Wie bereits vor einem Jahr krönte "the most beautiful voice in swing, latin and world jazz" das Festival. Sanft bereiteten ihre drei Instrumentalisten, die - Marque Lowenthal am Klavier, Robin Draganic am Kontrabass und Torsten Zwingenberger an den Drums - durchaus einen eigenen Besuch wert gewesen wären, mit einfallsreichen Spielereien, vor allem aber einer auf den Punkt austarierten Mischung aus feinem Rhythmus und nuancierter Dynamik den Boden für eine der ganz Großen: Lyambiko. Sowohl ihre Musiker, als auch das Publikum, das dem gesamten Rest des Abends in einer Spannung verharrte, die man auch im "Pumpwerk" nur ganz selten zu sehen bekommt, feierten die "Norah Jones aus Thüringen" denn auch wie einen Stern in der Nacht.

Und tatsächlich: Sie verzaubert die Menschen mit ihrem Gesang, mit ihrem Liebreiz, ihrer in allen Kategorien bis zur Perfektion gesteigerten Gabe. Der erste Ton schon nimmt Mann und - man höre und staune - Frau sofort uneingeschränkt ein. Tiefgang, perfekte Intonation, Strahlkraft, Feeling, Groove, Emotion - die Liste, in der die junge Frau die Superlativen belegt, ließe sich endlos fortsetzen. Kein Wunder also, dass sie bereits nach ihrem ersten Album "Out of this moon" einen kometenhaften Karrierehöhenflug erlebte, der mit der zweiten CD "Shades of delight" nur noch in seiner Geschwindigkeit beschleunigen konnte.

An diesem Abend gab sie für all die Gründe, warum das Publikum, die Band und auch die Kritik Lyambiko so abgöttisch liebt, einmal mehr beste Beispiele: Nina Simones rassiger Fetzen "Love me or leave me" gab den Künstlern viel Raum für Spielereien, brasilianische Standards dagegen brachte Lyambiko ganz zart, ganz liebevoll, ganz mit Leib und Seele, wobei sie sich gemeinsam vom irdischen loszulösen schienen und ihr Publikum mitnahmen in einen Raum, der ausschließlich aus Klang, Gefühl und Stimmung bestand. Mit Mose Allisons "Your mind is on vacation" swingten sich die vier auf der Bühne mit massig drive eins, nur um dann mit "I don´t have to got to bed" wieder einen zartschmelzenden Song aus purer Leichtigkeit zu präsentieren.

(www.parnass.scram.de , Dezember 2004)


Interview mit der Jazz-Musikerin Lyambiko

"Tansania ist ein Teil von mir, das ich gegenwärtig noch suche"

Frage: Frau Lyambiko, beginnen wir mit Ihrem Namen, was bedeutet er?

Lyambiko: Es ist ein Künstlername, der Name meines Vaters aus Tansania. Und als solcher hat er natürlich für mich eine sehr große Bedeutung.

Frage: Ihre Eltern sind auch Musiker?

Lyambiko: Mein Vater, der in Tansania lebt, hat Musik sehr geliebt. Meine deutsche Mutter, die leider vor sieben Jahren gestorben ist, war musikalisch interessiert.

Frage: Haben Sie Kontakt zu Ihrem Vater?

Lyambiko: Nicht wirklich. Er ist vor 26 Jahren nach Tansania zurückgegangen, da war ich ein Jahr alt. Ich kenne ihn nur von Fotos, auf denen er für mich sehr lebendig wirkt. Ich habe ihn übrigens vor zwei Wochen wiedergefunden.

Frage: Wie bitte?

Lyambiko: Ja. Mein Bruder und ich waren schon lange auf der Suche nach ihm. Wir haben Einwohnermeldeämter kontaktiert, das Auswärtige Amt - ohne Erfolg. Über den Versöhnungsbund Berlin konnten wir dann aber in Erfahrung bringen, daß er heute in Mwanga in der Nähe von Morogoro wohnt. Ich habe schließlich seine Telefon-Nummer und seine E-Mail-Adresse herausgefunden und ihn ganz einfach angerufen.

Frage: Was war das für ein Gefühl, nach 26 Jahren zum erstenmal mit seinem Vater in Afrika zu telefonieren?

Lyambiko: Es war ein ganz merkwürdiges Gefühl. Überwältigend. Mein Vater ist jetzt 60 Jahre alt, neu verheiratet und ich habe auf einmal sieben Halbgeschwister!

Frage: Ist Ihr Vater immer noch als Musiker tätig?

Lyambiko: Musik war eher sein Hobby. Er singt aber in einem Chor in Morogoro.

Frage: Waren Sie schon einmal in Tansania?

Lyambiko: Nein, noch nie. Aber natürlich will ich jetzt meinen Vater besuchen. Ich plane eine Reise im September und kann bei der Gelegenheit vielleicht auch das International Bagamoyo Arts Festival besuchen. Ich habe schon damit begonnen, Kisuaheli zu lernen, denn ich möchte gerne ihn und seine tansanische Familie richtig verstehen können.

Frage: In der Jazzszene werden Sie als "eine der besten Stimmen Berlins" bezeichnet. Glauben Sie, daß Sie ihr Talent von Ihrem Vater geerbt haben?

Lyambiko (lacht): Das würde er bestimmt gerne so hören! Als er hörte, daß ich Musikerin bin, hat er in Tansania ganz schnell ins Internet geschaut. Er war wohl ganz stolz, was er da über mich gefunden hat.

Frage: Es gibt da auch noch eine schöne Anekdote, als Sie in einer Band ganz überraschend auf seine Spuren gestoßen sind.

Lyambiko: Ja, das zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Mit 17, 18 Jahren spielte ich in Greiz in Thüringen, wo ich aufgewachsen bin, in einer Band und erfuhr von den Musikern, daß sie vor 15-16 Jahren schon einmal mit meinem Vater zusammen gespielt haben. Es gibt sogar noch eine alte Musikaufnahme aus dieser Zeit.

Frage: Wie hat sich Ihre Karriere als Jazzmusikerin entwickelt?

Lyambiko: Schon als kleines Kind war ich immer sehr an der Musik interessiert. Ich sang im Schulchor, ging zur Musikschule, lernte Klarinette und Saxophon. Auf dem Gymnasium in der 10./11. Klasse spielte ich in einer Mädchenband. Wir spielten Lieder von Clapton und anderen, aber auch schon die ersten eigenen Lieder.

Frage: Und dann gelang in Berlin gleich der Sprung ins Profigeschäft?

Lyambiko: Nein, nach dem Wechsel in die Großstadt machte ich ein Jahr lang überhaupt keine Musik, sondern studierte Musikwissenschaften an der Humboldt-Universität. Erst über ein Uni-Projekt bekam ich Kontakt zur Jazz-Szene und zu Berliner Musikern. An der Musikschule Schöneberg nahm ich dann auch noch Gesangs- und Klavierunterricht.

Frage: Wie wurden Sie "entdeckt"?

Lyambiko: Es war Zufall. In dem renommierten Berliner Jazz-Club A-Trane sollten an einem Abend drei unbekannte Gesangstalente auftreten, darunter auch ich. Unmittelbar vor mir spielte der  Jazz-Weltstar Mark Murphy, der schon sechsmal für den Grammy nominiert worden ist. Das hat mich total erschreckt! Ich traute mich kaum, vor ihm zu singen. Doch dann ging alles ganz schnell: Er wurde auf mich aufmerksam, rief den Chef des Clubs an und schon sollte ich mein erstes Konzert geben. Es dauerte dann nicht mehr lange und meine jetzigen Bandkollegen fragten, ob ich mich ihnen anschließen wolle.

Frage: Wie lange arbeiten Sie jetzt als Profi und wo treten sie auf?

Lyambiko: Seit drei Jahren trete ich in Deutschland und im Ausland auf, z.B. in den USA. Ende Juni nehmen wir zum erstenmal an einem Festival in Frankreich in der Nähe von Paris teil. Ich war noch nie in Frankreich und freue mich sehr darauf. Ansonsten gehen wir demnächst ins Studio, um unsere dritte CD zu produzieren.

Frage: Könnten Sie sich auch ein Konzert in Tansania vorstellen?

Lyambiko: Unbedingt! Es gab sogar die Idee, daß mich ein TV-Team nach Tansania begleitet, um dort die Begegnung mit meinem Vater und auch ein Konzert zu dokumentieren. Aber es blieb bei der Idee, weil ich die erste Begegnung mit meinem Vater lieber ganz privat gestalten will.

Frage: Wie bereiten Sie sich auf die Reise vor?

Lyambiko: Ich lese alles, was ich zur Zeit lesen kann. Reiseführer oder andere Bücher über ein mir ganz fremdes Land.

Frage: Fühlen Sie sich in gewisser Weise auch als Tansanierin?

Lyambiko: Nein, ich kenne ja das Land überhaupt nicht! Tansania ist ein Teil von mir, das ich gegenwärtig noch suche. Ich möchte es aber gerne entdecken, um diesen Teil von mir verstehen zu lernen.

Lyambiko, vielen Dank für das Interview!

(Das Interview führte Rudolf Blauth im Mai 2004)


Zur Person

Lyambiko, 29, ist die Sängerin der gleichnamigen Jazz-Gruppe, zu der auch der Pianist Marque Löwenthal (USA), der Bassist Robin Draganic (Kanada) und der deutsche Schlagzeuger Torsten Zwingenberger gehören. Das Trio spielte schon einige Jahre zusammen, als ihnen im Jahre 2001 mit Lyambiko eines der gegenwärtig größten Jazz-Talente über den Weg lief. Lyambiko absolvierte ca. 400 Konzerte in fünf Jahren und begeisterte das internationale Publikum in den USA und Europa.



Pressestimmen:

  • "Die Vokalartistin verzaubert ihr Publikum mit ihrer Performance und ihrer samtweichen, kraftvollen Stimme, mit ihrem außergewöhnlichen Talent für perfekte Intonation, Rhythmus, Dynamik und geschmackvollem Phrasing"
    (Eifel-Zeitung v. 9.2.07) 
  • "Hat Soul und Pop in der Stimme"
    (Kieler Nachrichten v. 4.3.06)
  • "Betörende Sängerin"
    (Kulturnews.de v. 1.3.06)
  • "Ein eigener Stil auf höchstem Niveau"
    (RBB v. 22.2.06)
  • "Wenn der Jazz wieder aufersteht"
    (Der Zürcher Oberländer v. 11.2.06)
  • "Lyambiko ist die vielversprechendste Jazz-Sängerinseit langer langer Zeit."
    (Boston Globe v. 18.4.03)
  • "Den Göttinnen der Jazzmusik ganz nah."
    (Süddeutsche Zeitung v. 21.3.03)
  • "Lyambiko entfesselte Begeisterungsstürme"
    (Neue Ruhr Zeitung v. 22.1.03)
  • "Die Balladensängerin zum Schwärmen"
    (Nordseezeitung Bremerhaven v. 28.2.02)
  • "Dieser Geheimtipp wird nicht mehr lange ein solcher sein"
    (WAZ v. 23.11.02)
  • "Die 27-jährige klingt tatsächlich atemberaubend"
    (Brigitte 16/2002)
  • "Sängerin mit Charisma"
    (Freundin 13/2002)
  • "Diese Stimme hat das Zeug für eine ganz große Karriere"
    (Westfalenpost v. 2.3.02)
  • "Eine musikalische Verschwörung gegen den Zeitgeist"
    (Focus 28/2002)

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