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Westfälische Nachrichten: Szenenapplaus auf afrikanischer Bühne (15.10.2005)

Kreismusikschule führte Musical "The Sound of the Pearl" in Tansania auf

Von Peter H a r k e

Kreis Warendorf. Überraschungseier, die der Leiter der Musikschule Beckum-Warendorf, Dr. Wolfgang König, und seine Frau Veronika te Reh sonst palettenweise kaufen, um ihre Chorkinder bei Laune zu halten, gehörten nicht zum Reiseproviant. Die Schokolade hätte bei über 30 Grad im Schatten wohl kaum die zweistündige Busfahrt vom Flughafen in Dar es Salaam nach Bagamoyo überstanden. Doch derlei "süßer Verführung" bedurfte es auch nicht, um die 20 Kinder und Jugendlichen im Alter von 6 bis 19 Jahren zu motivieren, die Ende September in Begleitung ebenso vieler Eltern nach Tansania aufbrachen. Das "Abenteuer Afrika" war Lockmittel genug, zudem die Aussicht auf das Wiedersehen mit den tansanischen Freunden, die vor einem Jahr im Kreis Warendorf zu Gast gewesen waren und an den ersten Aufführungen des Musicals "The Sound of the Pearl" mitgewirkt hatten.

Nun schickte sich der "Klang der Perle" also an, wie schon in Deutschland und zuletzt in den Sommerferien im indischen Bombay, auch die Menschen in Ostafrika zu verzaubern. Das Stück, gegenüber der Ursprungsfassung etwas gekürzt und in die Landessprache Kisuaheli übersetzt, sollte einer der Höhepunkte beim 24. Internationalen Kulturfestival am Bagamoyo College of Arts werden. Zunächst stellten König und te Reh aber mit einigem Entsetzen fest, als sie nach einem Ruhetag zur Akklimatisierung die Proben aufnehmen wollten, dass die verabredeten Vorbereitungen auf tansanischer Seite nicht getroffen worden waren. So musste beim Einstudieren der Lieder und Tänze mit den 39 Kindern der "Shada"-Gruppe von Nkwabi Nghangasamala praktisch bei Null angefangen werden. Zum Glück stand Nsamie, Nkwabis Tochter, die schon in Bombay das Perlenkind Pendo gespielt hatte und einiges von ihren Erfahrungen weitergeben konnte, Veronika te Reh als "Regieassistentin" zur Seite. Die Zwölfjährige hat nicht nur das schauspielerische Talent von ihrem Vater geerbt.

An den ersten Tagen konnte am College im Schatten eines mächtigen Mangobaums geübt werden. Nach der Eröffnung des Festivals, das in diesem Jahr unter keinem günstigen Stern stand - mehrere ausländische Gruppen erschienen trotz Zusage nicht - , wurde das Quartier der Musikschuldelegation, die traumhaft am Strand gelegene "Travellers Lodge", zum Probenraum umfunktioniert. Für die übrigen Gäste eine spannende Angelegenheit, mitzuerleben, wie jeden Morgen nach dem Frühstück die Tische beiseite gerückt wurden und sich das Restaurant in einen imaginären Ozean verwandelte, vor dessen Kulisse sich die Völker der "Gestreiften" und der "Gepunkteten" zuerst bekämpften, um schließlich durch die magische Kraft der Perle versöhnt zu werden.

Auch die "Montagswerkstatt" arbeitete unter Hochdruck an Kostümen und Requisiten. Mehr als 40 Meter Stoff wurden aus Dar es Salaam besorgt und zugeschnitten. In die 80 in Einzelteilen aus Deutschland mitgenommenen Kunststoffkugeln, die zum Schluss des Stücks aufleuchten, wurden erst vor Ort die Glühbirnen wieder eingesetzt, weil man befürchtet hatte, sie könnten sonst als vermeintliche Bombenbausätze bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen konfisziert werden. Wenigstens war das Bühnenbild fertig, die von einer indischen Chormutter kunstvoll bemalten Leinwandbahnen hatten Königs aus Bombay mitgebracht. Zu improvisieren blieb auch so noch genug, von der abgetauchten Collegeleitung war offenbar keine Unterstützung zu erwarten. Und die Zeit drängte. Aber alle Beteiligten ließen sich nicht entmutigen, bewahrten nach der tansanischen Devise "Pole, pole" (Immer mit der Ruhe) die Nerven.

Am Abend der Aufführung war das College-Theater mit fast 3000 Zuschauern zum Bersten gefüllt. Der afrikanische Sternenhimmel schien noch phantastischer zu funkeln als an den Tagen zuvor. Eine tolle Atmosphäre - eigentlich. Die Tücken einer mangelhaften Licht- und Tontechnik sowie störende Zwischenrufe aus dem "Fanblock" einer Rockband aus Dar es Salaam, die anschließend spielen sollte, trübten spürbar die Stimmung. Immerhin gab es für die temporeicheren Tanzszenen und einige Gags auch mehrfach Szenenapplaus. Mit bewundernswerter Disziplin brachten die Kinder das Stück pannenfrei über die Bühne. Sie hatten ihr Bestes gegeben - und sich die verbleibenden Urlaubstage, ausgefüllt mit einer Bootstour, Baden im Meer und Besuchen an verschiedenen Partnerschulen, mehr als verdient.

Auf dem Rückflug wussten Veronika te Reh und Wolfgang König jedenfalls, wohin sie ihr erster Weg in Deutschland führen würde: in den nächsten Supermarkt - um so viele Paletten Überraschungseier zu kaufen, wie in den Kofferraum passen...