31.10.20

Endergebnis Wahlen: Magufuli siegt mit 84,4 %. CCM gewinnt 99 % der Wahlkreise


Magufuli dankt Tansania (Grafik: Lyimo Media)

John Magufuli siegt mit Rekordergebnis

Die Nationale Wahlkommission (NEC) hat nach Angaben der regierungsnahen Zeitung "Daily News" das amtliche Endergebnis der Präsidentschaftswahlen bekannt gegeben: Staatspräsident John Magufuli (CCM) siegt mit dem Rekordergebnis von 84,4 % der abgegebenen gültigen Stimmen. Das bedeutet gegenüber den letzten Wahlen 2015 einen Gewinn von 25 %. Die Wahlbeteiligung lag bei 50 %.

Zweiter ist Tundu Lissu (Chadema) mit lediglich 13,0 %. Edward Lowassa hatte bei seinem zweiten Platz 2015 noch 40,0 % erreicht. Dritter wurde der ehemalige Außenminister Bernard Membe (ACZT-Wazalendo) mit 0,5 %. Platz 4 belegte Prof. Ibrahim Lipumba (CUF) mit ebenfalls 0,5 %.

Spitzenwerte erzielte der Präsident fast überall im Lande, in seiner Heimatregion Mwanza waren es bis zu 98,7 % (Misungwi). In Bumbuli (Usambara Berge) erzielte der Staatspräsident 93,2 % und in Bagamoyo 81,0 %.

Am 1. November erhält John Magufuli in Dodoma die Ernennungsurkunde.

Parlamentswahlen: CCM gewinnt in 262 von 264 Wahlkreisen (99 %)

Die Regierungspartei CCM hat bis auf zwei Ausnahmen sämtliche Wahlkreise gewonnen, darunter mehrere Wahlbezirke, die jahrzehntelang als Hochburgen der Opposition galten. Diese konnte lediglich die beiden Parlamentssitze von Mtwara Land durch Shamsia Mtamba (CUF) und von Nkasi Nord (Rukwa) durch Aida Khenan (Chadema) erringen.

Mit diesem Ergebnis hat die CCM die für Verfassungsänderungen notwendige 2/3-Mehrheit im Parlament mehr als deutlich überschritten. Die regierungsnahe Tageszeitung "Daily News" spricht von einem "politischen Tsunami" und kommentierte: "Die Wahlen haben offenbar das Ende der Ära einer starken parlamentarischen Opposition markiert."

"Trotz Manipulationsvorwürfen: Tansanias Präsident Magufuli zum Wahlsieger erklärt"
SPIEGEL vom 31.10.2020

"Tansania: Zweifel am deutlichen Wahlergebnis"
Deutsche Welle vom 30.10.2020

Sansibars Wahlsieger Hussein Mwinyi (CCM) schlägt "Regierung der Nationalen Einheit" vor

In Sansibar ist Hussein Mwinyi (CCM), der Sohn des früheren Staatspräsidenten Ali Hassan Mwinyi, zum Sieger der Präsidentschaftswahl auf Sansibar erklärt worden. Er schlug 14 weitere Kandidaten und siegte laut Wahlkommission überraschend hoch mit 76,1 Prozent. Es ist das erste Mal in der Geschichte Sansibars, dass ein Kandidat über 70 % der Stimmen erhält. Zweiter wurde Seif Sharif Hamad (ACT-Wazalendo) mit 19,9 %.

Mwinyi hat inzwischen die in Sansibars Verfassung vorgesehene "Regierung der Nationalen Einheit" vorgeschlagen. Danach kann eine Einheitsregierung gebildet werden, wenn die zweitstärkste Partei mindestens 10 % der Stimmen erhält. Hussein Mwinyi (CCM) wäre nach diesem Modell Präsident von Sansibar und Seif Sharif Hamad (ACT-Wazalendo) Vizepräsident.

Es ist allerdings zweifelhaft, ob Politveteran Hamad diesen Vorschlag annehmen wird. Er sah sich in der Vergangenheit, damals noch auf dem Ticket von CUF, bereits mehrfach um den Wahlsieg auf Sansibar betrogen. 1995 erzielte er angeblich nur 49,8 %, 2010 49,1 % (mit der anschließend ersten "Regierung der Nationalen Einheit" in der Geschichte Sansibars) und 2015 wurde das Ergebnis der Wahl gar nicht erst veröffentlicht und eine Wiederholungswahl angesetzt, die Hamad dann boykottierte.  

Repräsentantenhaus Sansibar: 100 % der Stimmen für die CCM

Nach Angaben der Wahlbehörde hat die Regierungspartei CCM alle 32 Wahlkreise auf Sansibar gewonnen. Besonders erstaunlich sind die hohen Wahlsiege in den einzelnen Wahlkreisen. Nirgendwo kam es zu dem traditionell knappen Wahlergebnis. Die CCM-Kandidaten errangen - soweit bislang bekannt - meist zwischen 60 % und 90 % der Stimmen.

USA: "Ernsthafte Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Ergebnisse"

Die Vereinigten Staaten haben in einer heutigen Stellungnahme "ernsthafte Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Ergebnisse" geäußert. Die Zweifel würden sich angesichts der "Unregelmäßigkeiten und der überwältigenden Gewinnspannen" ergeben. Als "Unregelmäßigkeit" benannte die US-Botschaft "die Inhaftierung von Kandidaten und Demonstranten, Einschränkung des Zugangs von Vertretern politischer Parteien zu Wahllokalen, wiederholte Abstimmungen, das Ausfüllen von Stimmzetteln und die Sperrung von Social Media und anderer Kommunikationsplattformen."

Großbritannien: Besorgt über Spannungen auf Sansibar

Der britische Hochkommissar David Concar zeigte sich gestern besorgt über die Spannungen auf Sansibar: "Wie bei jeder Wahl wird die Glaubwürdigkeit des Prozesses auf Sansibar und auf dem Festland von den Wahlbehörden abhängen, die Berichte über Unregelmäßigkeiten verfolgen und untersuchen." Concar hatte am Wahltag einige Wahllokale in Daressalam persönlich besucht.

Opposition fordert Neuwahlen. Mehrere Oppositionelle verhaftet

Die beiden Oppositionsparteien Chadema und ACT-Wazalendo haben heute auf einer gemeinsamen Pressekonferenz Neuwahlen gefordert. ACT-Wazalendo fordert außerdem die Freilassung von über 30 führenden Parteimitgliedern, die nach ihren Angaben in Sansibar von der Polizei verhaftet und zu einem unbekannten Platz gebracht worden seien. Die Partei bat die internationale Völkergemeinschaft, sich ihrer Forderung anzuschließen.

Tundu Lissu (Chadema): Das Ausland soll Wahlergebnis nicht anerkennen. Aufforderung zu friedlichen Protesten

Der Präsidentschaftskandidat der Oppositionspartei Chadema, Tundu Lissu, hat nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters die internationale Ländergemeinschaft bereits gestern aufgefordert, das Wahlergebnis nicht anzuerkennen. Er bezeichnete es wegen der vielen Unregelmäßigkeiten als "Travestie".

Laut BBC äußerte sich Lissu gestern in Daressalam gegenüber Journalisten mit den Worten: "Was auch immer gestern geschah, es war keine Wahl." In einer anderen Stellungnahme sprach er von einem "vollständigen Betrug". Den Beobachtern der Opposition sei der Zugang zu mehreren tausend Wahllokalen verweigert worden. Er rief seine Anhänger zu landesweiten friedlichen Protesten auf.

Stellungnahme von Tundu Lissu (in Kisuaheli)
ktn news (Kenia) vom 29.10.2020 (TV-Beitrag, 4:06 Min.)

Präsidentschaftskandidat der Opposition auf Sansibar zeitweilig in Haft

Seif Sharif Hamad, der sich seit 1995 bereits mehrfach für die Oppositionspartei CUF um die Präsidentschaft beworben hatte, rechnete sich diesmal bei den Wahlen auf dem autonomen Sansibar eine große Chance aus. 2010 erreichte er mit 49,1 % sein bislang bestes Ergebnis und bildete anschließend - nicht zuletzt durch Vermittlung der Deutschen Botschaft - mit der CCM erstmalig eine "Regierung der nationalen Einheit". Nun soll er jedoch nur 19,9 % der Stimmen erzielt haben, was ihn zu martialisch klingenden Aussagen verführte wie: "Ob wir Führer sterben oder verhaftet werden, wir sind zu allem bereit".

Zusammen mit anderen Führern von ACT-Wazalendo wurde Hamad gestern zum zweiten Mal für mehrere Stunden verhaftet und musste sich heute bei der Polizei melden. US-Botschafter Donald White hatte über Twitter seine sofortige Freilassung gefordert. 

Nationales Wahlkomitee weist Fälschungsvorwürfe der Opposition zurück

Der Vorsitzende des Nationalen Wahlkomitees (NEC), Semistocles Kaijage, hat Vorwürfe der Oppositionspartei Chadema zurückgewiesen, wonach in mehreren Wahllokalen gefälschte Wahlzettel zugunsten der Regierungspartei CCM entdeckt worden sein sollen. Die Unterstellungen seien nicht konkret und es lägen keine Belege vor. Die Tageszeitung The Citizen berichtete gestern allerdings auch von Videos in sozialen Medien, die diese Anschuldigung belegen sollen.

Nach dem tansanischen Wahlgesetz kann gegen das amtliche Endergebnis kein Widerspruch eingelegt werden.

"Gewalt und Fälschungsvorwürfe: Opposition kritisiert Ablauf der Wahl in Tansania"
SPIEGEL vom 28.10.2020

AFP-Faktencheck zur Polizeigewalt auf Sansibar

In den sozialen Medien waren in den letzten Tage Filme zu sehen, die die von mehreren Medien verbreiteten Meldungen über angebliche Tote durch Polizeieinsätze auf Sansibar belegen sollen. Der AFP-Faktencheck belegt nun, dass es sich dabei um einen älteren Film aus dem Jahr 2005 sowie um einen anderen Film handelt, der bereits als Beleg von Polizeigewalt bei den Wahlen in Nigeria Anfang 2020 verwendet wurde.

"Videos purporting to show violence during recent elections in Zanzibar are old and unrelated"
AFP vom 30.10.2020

Die Opposition verliert fast alle Hochburgen

Es war ein rabenschwarzer Tag für die größte Oppositionspartei Chadema, die bis auf eine Ausnahme deutliche Niederlagen erlitten hat - selbst in ihren größten Hochburgen. Auch die beiden Parteivorsitzenden von Chedema und ACT-Wazalendo, Freeman Mbowe und Zitto Kabwe, haben ihre Wahlkreise verloren und sind zukünftig nicht mehr im Parlament vertreten.

Der einzige Chadema-Sieg wurde im Wahlkreis Nkasi Nord (Rukwe) verzeichnet, wo sich Aida Khenan (Chadema) mit 21.226 Stimmen knapp gegen den 70-jährigen Parlamentsabgeordneten Ally Kessy (CCM) mit 19.972 Stimmen durchsetzen konnte. Khenan ist die Vorsitzende der Chadema-Jugendorganisation BAVICHA in der Rukwa Region und gehörte als Inhaberin eines "special seats" ebenfalls bereits dem vergangenen Parlament an. In einer Stellungnahme dankte sie Gott, bezeichnete ihren Sieg dann aber wegen des schlechten Gesamtergebnisses ihrer Partei als einen "unglücklichen Sieg".

Freud und Leid bei den Kandidaten aus der Kulturszene

Die tansanische Kulturszene war im Wahlkampf gespalten zwischen Unterstützern von John Magufuli und Unterstützern der Opposition. Zu den (auch musikalischen) Unterstützern der CCM gehörten unter anderem Afrikas Superstar Diamond Platnumz, AliKiba oder Harmonize - obwohl sie in der Vergangenheit teilweise erhebliche Probleme mit der staatlichen Zensurbehörde hatten.

Für die Regierungspartei CCM ziehen jetzt der Rapper Mwana FA im Wahlkreis Muheza (Tanga) und Babu Tale, der Manager von Diamond Platnumz im Wahlkreis Morogoro Ost, ins Parlament. 

Als Unterstützer von Chadema unterlagen hingegen der Rapper, Produzent und Festivalmanager Joseph Haule alias Prof. Jay im Wahlkreis Mukumi und Joseph Mbilinyi alias Sugu in Mbeya Stadt.

Evangelikaler Wunderheiler zieht mit einem Wunderergebnis ins Parlament

Mit Bischof Dr. Josephat Gwajima (CCM) zieht der wohl bekannteste evangelikale Wunderheiler Tansanias ins Parlament. Er gewann seinen Wahlkreis Kawe in Daressalam mit 195.000 Stimmen haushoch gegen Halima Mdee (33.000 Stimmen), der Vorsitzenden des Frauenflügels der Oppositionspartei Chadema. Ihre Verhaftung im Wahllokal während der Stimmabgabe hatte für internationales Aufsehen gesorgt. Ihr wurde vorgeworfen, die Rechtmäßigkeit einiger Stimmabgaben in Frage und die Verweigerung des Zutritts zum Wahllokal für die Chadema-Wahlbeobachter aggressiv kritisiert zu haben.

Gwajima ist der Gründer und Bischof der Glory of Christ Tanzania Church (GCTC), die nach eigenen Angaben über mehr als 400 Kirchen mit 70.000 Mitgliedern und einer Kathedrale in Daressalam verfügt. 

Der 50-jährige missioniert weltweit und ist auch schon in Deutschland und in der Schweiz aufgetreten. Der Autor von circa 40 Büchern betreibt auch einen eigenen TV-Kanal mit 208.000 Abonnenten. Nach Angaben auf seiner Homepage ist er "ein Werkzeug Gottes, um das Werk der Dunkelheit zu zerstören, das wiederum das Leben der Menschen zerstört. Ein Werkzeug Gottes, um die Menschen von den Fesseln des Teufels und seiner Dämonen zu befreien."

Der Bischof arbeitet eng mit Daniel Kolenda zusammen, dem Nachfolger des deutschen Evangelisten Reinhard Bonnke. Kolenda kann nach eigenen Angaben sogar "Tote wieder aufwecken".

Gwajima war es nicht gelungen, die parteiinterne Vorwahl der CCM in Daressalam zu überstehen. Aber das CCM-Exekutivkomitee setzte sich bei der Nominierung über das Votum der Parteibasis hinweg. Gwajima kommt ebenso wie der Präsident aus der Mwanza Region und steht ihm auch religiös sehr nahe.
 



Bisher bekannte ausgewählte Ergebnisse der Parlamentswahlen auf dem Festland:


Wahlkreis Kawe (Daressalam)

Ein Wahlkreis, der vor der Wahl als "hart umkämpft" gehandelt wurde. Dass hier der prominente evangelikale Wunderprediger sechsmal so viele Stimmen erhielt wie die Vorsitzende des Frauenflügels der Oppositionspartei Chadema, erscheint Beobachtern mehr als wunderlich. 

Bischof Josephat Gwajima (CCM): 194.833 Stimmen
Halima Mdee (Chadema): 32.524 Stimmen

Wahlkreis Mikumi

Ein Ergebnis, mit dem wohl niemand gerechnet hatte. Prof. Jay zählt zu den bekannteten Künstlern des Landes. Der Pionier der Bango Flava Bewegung saß bereits 5 Jahre für die Opposition im Parlament.

Denis Lazaro (CCM): 31.411 Stimmen
Joseph Haule alias Prof. Jay (Chadema): 17.375 Stimmen

Wahlkreis Muheza (Tanga)

Der bekannte Musiker Mwana FA (CCM) gewann seinen Wahlkreis hingegen haushoch.

Mwana Fa (CCM): 47.578 Stimmen
Yosepher Komba (Chadema): 12.034 Stimmen

Wahlkreis Nkasi Nord (Rukwa)

Die junge Oppositionspolitikerin schreibt Geschichte: Sie ist die erste Frau in der Geschichte der Rukwa Region, die einen Wahlkreis gewinnt:

Aida Khenan (Chadema): 21.226 Stimmen
Ally Kessy (CCM): korrigiert auf 19.972 Stimmen

Wahlkreis Kigoma Stadt

Der Vorsitzende der Oppositionspartei ACT-Wazalendo, Zitto Kabwe, verlor seinen Wahlkreis gegen Kilumbe Ng'enda (CCM).

Kilumbe Ng'enda (CCM): 27.688 Stimmen
Zitto Kabwe (ACT-Wazalendo): 20.600 Stimmen

Wahlkreis Mtwara Stadt

Hassan Mtenga (CCM): 60,1 %
Abdallah Nchuma (CUF): 36,5 %
Hassan Abdallah (ACT-Wazalendo): 3,0 %
Sonstige: 0,4 %

Wahlkreis Mtwara Land

Der Sieg der Opposition gelang der 34-jährigen Shamsia Mtamba, die 2015 noch über die "special seats" ins Parlament gelangt war und nun ihren Wahlkreis gegen Hawa Ghasia (CCM) gewinnen konnte, der ehemaligen Ministerin im Amt des Staatspräsidenten und Vorsitzenden des Haushaltsausschusses. 

Shamsia Mtamba (CUF): 55,5 %
Hawa Ghasia (CCM): 39,3 %
Fuata Issa (ACT-Wazalendo): 2,9 %
Mtuma Yusuf (Chadema): 2,2 %

Wahlkreis Arusha Stadt

Der von Staatspräsident John Magufuli entlassene Regional Commissioner von Arusha, Mrisho Gambo, schlug überraschend und in der Höhe fast unglaublich den favorisierten Chadema-Kandidaten Godbless Lema. Damit ist eine weitere Hochburg der Opposition gefallen. Dabei besetzt Chadema im Stadtrat von Arusha 23 von 24 Ratssitzen. 

Mrisho Gambo (CCM): 63,5 %
Godbless Lema (Chadema): 35,8 %
Sonstige: 0,7 % (ACT-Wazalendo 0,3 %, ADA-TADEA 0,2 %, CCK 0,2 %)

Wahlkreis Hai (Kilimandscharo Region)

Hier kandidierte Freeman Mbowe, Vorsitzender von Chadema und Oppositionsführer im letzten Parlament. Mbowe hatte den Wahlkreis dreimal gewonnen und erreichte im Jahr 2000 mit 64,5 % das bis dahin beste Ergebnis eines Oppositionspolitikers in der Geschichte Tansanias. Das äußerst überraschende vorläufige Ergebnis (bisher wurden bei allen Ergebnissen nur die Kandidaten mit den meisten Stimmen berücksichtigt):

Sashisha Mafue (CCM): ca. 76 %
Freeman Mbowe (Chadema): ca. 23 %
Mbaraku Mhina (ACT-Wazalendo): ca. 0,3 %

Nach Angaben von Freeman Mbowe wurde er in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch im Aishi Protea Hotel in Machame am Fuße des Kilimandscharo von unbekannten Bewaffneten überfallen. Zwei seiner Leibwächter sollen entführt und gefoltert worden sein. Zum Zeitpunkt des Überfalls habe er sich mit seinem Team auf die Wahlbeobachtung in seinem Wahlkreis vorbereitet.

Die Aussagen von Mbowe wurden vom zuständigen District Commissioner als unwahr zurückgewiesen.

Wahlkreis Moshi Stadt

Raymond Mboya (Chadema) hat als ehemaliger Bürgermeister von Moshi sicher mit einem Einzug ins Parlament gerechnet. Seit 25 Jahren wird der Sitz des Wahlkreises im Parlament von der Opposition besetzt. Doch es kam ganz anders:

Pricsus Tarimo (CCM): ca. 58 %
Raymond Mboya (Chadema): ca. 42 %

Wahlkreis Mbeya Stadt

Hier trat die Juristin, Philosophin und Stellvertretende Parlamentssprecherin Tulia Ackson (CCM), Mitglied der Tanganyika Law Society und von Staatspräsident John Magufuli persönlich ins Parlament berufene Abgeordnete, gegen Joseph Mbilinyi an - auch Mr. II, Sugu oder 2-proud genannt. Sugu zählt zu den bekanntesten Bongo Flava Stars in Tansania und ist Träger des Emmy Tanzania Award. Neben seiner Tätigkeit als Musiker, Musikproduzent und Organisator von Musikfestivals engagiert sich Sugu als Menschenrechtsaktivist in den Bereichen Demokratie, Kinderpornografie, Polizeigewalt und Korruption. Seit 2010 saß er für die Opposition im Nationalparlament. Jetzt hat er seinen Wahlkreis überraschend deutlich verloren:

Dr. Tulia Ackson (CCM): ca. 66 %
Joseph Mbilinyi (Chadema): ca. 33 %

Wahlkreis Iringa Stadt

Mit dem Wahlkreis Iringa Stadt hat Chadema einen weiteren, sicher geglaubten Wahlkreis verloren. Pastor Peter Msigwa (Chadema) saß seit 2010 im Parlament und galt zeitweilig als Schattenminister für Umwelt und Touristik. Er unterlag Dr. Jesca Msambatavangu (CCM) deutlich:

Dr. Jesca Msambatavangu (CCM): 36.000 Stimmen
Peter Msigwa (Chadema): 19.000 Stimmen
 


 

Das Ende eines langen Wahltags


Die landesweit 80.155 Wahllokale waren am vergangenen Mittwoch von 7-16 Uhr Ortszeit (5-14 Uhr MEZ) geöffnet. An vielen Orten hatten sich bereits in den frühen Morgenstunden lange Warteschlangen gebildet. Staatspräsident John Magufuli gab seine Stimme in Dodoma ab. Über 29 Millionen registrierte Wählerinnen und Wähler konnten an der Wahl teilnehmen. Erstmals fand die Wahl aus religiösen Gründen nicht an einem Sonntag, sondern an einem Werktag statt, der zu einem gesetzlichen Feiertag erklärt wurde. 

Gewählt wurden unter anderem die Parlamente auf dem Festland und auf dem autonomen Sansibar, der Präsident von Sansibar sowie der Präsident der Vereinten Republik von Tansania. 

TV-Bericht vom Wahltag
NTV Kenya vom 28.10.2020 (in engl.)

Weitgehend friedlicher Verlauf

Nach den Unruhen und Auseinandersetzungen vom Vortag verlief der Wahltag am Mittwoch weitgehend friedlich. Meldungen der internationalen Presse über Unruhen und Todesopfer auf Sansibar bezogen sich auf die beiden Tage vor der Wahl und beruhten, was die Todesopfer betrifft, ausschließlich auf Meldungen der linksgerichteten Oppositionspartei ACT-Wazalendo. Parteiunabhängige Augenzeugen gibt es bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht, Fotos oder Filmaufnahmen liegen nicht vor. Zudem sprachen die ausländischen Presseagenturen wahlweise von 3, 5, 9 oder 11 Todesopfern. In einer Pressemitteilung von Präsidentschaftskandidat Seif Shariff Hamad (ACT-Wazalendo), die dieser bereits am vergangenen Montag geschrieben hatte, war von 3 Toten die Rede, die von ihm dann allerdings auch namentlich benannt wurden.

Die Opfer sollen nach Angaben der Oppositionspartei versucht haben, die Verteilung von bereits mit Stimmzetteln gefüllten Wahlurnen zu verhindern. Daraufhin habe die Polizei erst mit Tränengas und dann mit scharfer Munition auf die Menge geschossen.

Die Zahl von "mindestens 11 Erschossenen" hatte die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) verbreitet. Die britische The Guardian schrieb am Dienstag: "Mit Soldaten, Polizisten und einer Miliz beladene Lastwagen wurden in ganz Sansibar gesehen. Zeugen berichteten von Sicherheitskräften, die Zivilisten schlugen."

Die regierungskritische tansanische Tageszeitung The Citizen meldete hingegen bisher überhaupt keine Todesopfer. Vorgestern berichtete sie lediglich von 70 Verhaftungen und einigen Verletzungen, die von der Polizei bestätigt wurden.

"Gezielte Einschüchterungsversuche und Zensur sozialer Netzwerke und des Internets"

Wenn auch die Meldungen über angebliche Todesopfer bislang noch auf sehr wackligen Füßen stehen, so wurden im unmittelbaren Vorfeld der Wahl jedoch mehrere staatliche Maßnahmen gegen Oppositionspolitiker registriert, die von Beobachtern als "gezielte Einschüchterungsversuche und Zensur sozialer Netzwerke und des Internets" bezeichnet werden.

So wurde beispielsweise in Daressalam Halima Mdee von der Polizei vorübergehend festgenommen. Mdee ist eine prominente Parlamentskandidation der Opposition. Der Vorsitzenden des Frauenflügels von Chadema wurde vorgeworfen, bei ihrer Stimmabgabe im Wahllokal aggressiv die Rechtmäßigkeit einiger Stimmabgaben in Frage gestellt zu haben. Halima Mdee beklagte ihrerseits die Verweigerung des Zutritts zum Wahllokal für die Chadema-Wahlbeobachter. Angeblich hätten diese die dafür notwendige Bescheinigung nicht vorlegen können.

Der Wahlbezirk von Halima Mdee steht unter besonderem öffentlichen Interesse, weil die Oppositionspolitikerin gegen Bischof Josephat Gwajima (CCM) angetreten ist, einen landesweit bekannten evangelikalen Kirchengründer und Wunderheiler aus Mwanza, der Heimatregion des Präsidenten. 

Zeitweilige Inhaftierung von Präsidentschaftskandidat Seif Shariff Hamad (ACT-Wazalendo)

Die tansanische Tageszeitung The Citizen meldete am Dienstag die Verhaftung und spätere Freilassung des oppositionellen Präsidentschaftskandidaten für Sansibar, Seif Shariff Hamad (ACT-Wazalendo), dessen Wahl auch von der großen Oppositionspartei Chadema unterstützt wurde. Ihm wurden Aktionen und Proteste gegen die aus seiner Sicht unkontrollierbaren Stimmabgaben von staatlichen Angestellten auf Sansibar bereits am Dienstag vorgeworfen. Die vom Präsidenten eingesetzte Nationale Wahlkommission (NEC) begründete die vorzeitige Stimmabgabe mit dem Hinweis, dass auch den am Wahltag eingesetzten Wahlhelfern, Polizisten und Soldaten eine Möglichkeit zum eigenen Wählen gegeben werden müsse. Eine Briefwahl ist in Tansania nicht möglich.   

TV-Bericht dokumentiert Unruhen auf Sansibar am Dienstag

Ein TV-Bericht dokumentiert, dass es im unmittelbaren Vorfeld der Wahl auf Sansibar zu Demonstrationen und harten Polizeieinsätzen gegen Demonstranten gekommen war: 

"Violent clashes witnessed in Zanzibar ahead of Tanzania elections"
NTV Kenya vom 27.10.2020

Polizeichef Simon Sirro: "Wir haben die Lage unter Kontrolle!"

Die Polizei teilte mit, dass sie Tränengas einsetzen musste, nachdem Steine auf Polizeiautos geworfen worden seien. Inzwischen habe sie die Lage aber wieder unter Kontrolle. Tansanias Polizeichef Simon Sirro dementierte laut BBC, dass es Todesopfer auf Sansibar gegeben habe.

Oppositionspolitiker lobt die Durchführung der Wahl

Jeremiah Maganja, Präsidentschaftskandidat der oppositionellen NCCR-Mageuzi, wurde in der regierungsnahen Tageszeitung Daily News mit einem Lob für die "gut organisierte Wahl" zitiert. Seine Partei erhielt bei den letzten Wahlen 1,5 % und war bislang mit einem Sitz im Parlament vertreten.

Sperrung von sozialen Medien und Internetzugängen

In afrikanischen Medien und in mehreren Internet-Foren wurde von der Sperrung sozialer Medien in Tansania berichtet. WhatsApp, Twitter, Facebook, Instagram, SMS und Internetzugänge sollen betroffen gewesen sein. BBC berichtete vorgestern von einer WhatsApp-Sperrung beim Herunterladen von Tundu-Lissu-Fotos oder -Filmen.

Twitter hat in einer Stellungnahme die Sperrungen als "Verletzung von Menschenrechten" und "Verstoß gegen das freie Internet" verurteilt.

"Tanzania’s Magufuli has blocked social media, bulk SMS on the eve of its election"
Quartz Africa vom 28.10.2020

US-Botschafter zeigte sich "alarmiert"

Der US-Botschafter in Tansania, Donald Wright, sagte am Dienstag laut BBC, er sei "alarmiert von Berichten aus Sansibar und anderen Gebieten über Gewalt, Todesfälle und Inhaftierungen".

UN-Generalsekretär António Guterres rief ebenfalls am Dienstag zu friedlichen Wahlen in Tansania auf.

Tundu Lissu (Chadema): "Wir sind sicher, zwischen 60 und 70 Prozent zu gewinnen"

Tundu Lissu, Präsidentschaftskandidat der Oppositionspartei Chadema, zeigte sich kurz vor den Wahlen in einem Gespräch mit der Deutschen Welle siegessicher: "Unsere Vorbereitungen für die Wahlen am 28. Oktober sind sehr positiv. Wir haben unsere Beobachter in jedes einzelne Wahllokal im Land geschickt. Natürlich sehen wir uns hier und da mit einigen Hindernissen seitens der Regierung konfrontiert, aber bis jetzt sind wir sicher, zwischen 60 und 70 Prozent zu gewinnen".

Die meisten Wahlbeobachter rechneten jedoch mit einem deutlichen Sieg der Regierungspartei CCM und des amtierenden Staatspräsidenten John Magufuli (CCM).

"Tansania vor der Wahl: Magufuli oder Demokratie?"
Deutsche Welle vom 27.10.2020

Keine Prognosen und Hochrechnungen

Meinungsumfragen, Prognosen und Hochrechnungen sind in Tansania verboten. Auch das Wahlergebnis durfte nur durch die NEC bekannt gegeben werden.
 



Komplizierte Sitzverteilung im Parlament in Dodoma

Das tansanische Parlament (Kisuaheli: Bunge) in der Hauptstadt Dodoma hat 393 Sitze. Es wird zeitgleich mit dem Präsidenten der Republik alle fünf Jahre gewählt. 264 Sitze werden nach dem Mehrheitswahlrecht vergeben, Zusätzlich gehen 113 Sitze nach dem Verhältniswahlrecht an Frauen. Zehn Abgeordnete, darunter mindestens fünf Frauen, werden vom Präsidenten ernannt. Dazu kommen fünf sansibarische Abgeordnete, darunter mindestens zwei Frauen, und der Generalstaatsanwalt. 

Voraussetzung für eine Kandidatur sind die tansanische Staatsangehörigkeit, ein Alter von über 40 Jahren und die Nominierung durch eine politische Partei. Außerdem darf keine rechtskräftige Verurteilung wegen Steuerhinterziehung vorliegen. 

Seit der Unabhängigkeit siegte immer die CCM

Seit der Unabhängigkeit im Jahr 1964 war immer die CCM siegreich, die Partei des legendären Staatsgründers Julius Nyerere. Wahlbeobachter erwarten auch diesmal ihren deutlichen Wahlsieg. Die großen Oppositionsparteien wie Chadema, ACT-Wazalendo oder CUF konnten sich vorab nicht auf ein Wahlbündnis einigen.   

Das Wahlergebnis 2015:

CCM: 55,0 % / 253 Sitze
Chadema: 31,8 % / 70 Sitze
CUF: 8,6 % / 42 Sitze
ACT: 2,2 % / 1 Sitz
NCCR: 1,5 % / 1 Sitz

Die Wahlbeteiligung lag 2015 bei 65 %. Aktuell sind 37,2 % der Parlamentsmitglieder Frauen.

Prognose: Auch Staatspräsident John Magufuli (CCM) wird die Wahl gewinnen

Bei der Präsidentschaftswahl scheint es nur noch um die Höhe des Wahlsiegs des amtierenden Staatspräsidenten John Magufuli (CCM) zu gehen. Sein größter Konkurrent ist Tundu Lissu (Chadema), der seit einigen Tagen auch von ACT-Wazalendo unterstützt wird. Lissu wurde 2017 in Dodoma das Opfer eines Attentats, als ihn 16 Kugeln trafen und schwer verletzten. Jahrelange Krankenhausaufenthalte in Kenia und Belgien waren die Folge. Erst im Sommer 2020 kehrte Lissu nach Tansania zurück.   

Das Wahlergebnis 2015:

John Magufuli (CCM): 58 %
Eduard Lowassa (Chadema): 40 %

Knappe Entscheidung auf Sansibar erwartet

Auch auf Sansibar werden Parlament und Präsident erwartet. Hier sind Hussein Mwinyi (CCM), Sohn des früheren Staatspräsidenten, und der auch von Chadema unterstützte Kandidat der Opposition, Seif Shariff Hamad (ACT-Wazalendo), die aussichtsreichsten Kandidaten. Traditionell kommt es auf Sansibar zu sehr knappen Wahlentscheidungen. Ausländische Beobachter haben in der Vergangenheit auch schon öfter von Unregelmäßigkeiten oder sogar Wahlbetrug bei der Auszählung auf den Gewürzinseln Pemba und Unguja (Sansibar) berichtet. Unruhen stehen dabei fast immer auf der Tagesordnung.

Massive Behinderungen der tansanischen Opposition

Nach Ansicht von internationalen Wahlbeobachtern und Amnesty International wurde der Wahlkampf der Opposition in ganz Tansania massiv behindert. Nachdem parteipolitische Veranstaltungen und Kundgebungen jahrelang verboten waren, wurden sie  lediglich für den Zeitraum vom 26.8.-27.10.2020 vorübergehend wieder erlaubt.  

Die nationale Wahlkommission NEC belegte führende Oppositionskandidaten mehrfach mit einem mehrtägigen Auftrittsverbot, weil sie im Wahlkampf “aufrührerische Reden” gehalten haben sollen. Manchmal wurden Kundgebungen auch gewaltsam mit Tränengas aufgelöst. Erst am vergangenen Freitag setzte die Polizei in Somanga (Kilwa) Tränengas gegen eine als illegal eingestufte Kundgebung von Tundu Lissu ein.

Medien, die der Opposition nahestehen, mussten auf Anordnung der Behörden ihre Arbeit zum Teil monatelang einstellen. 100 Oppositionskandidaten entzog die NEC, die mehrfach freie und faire Wahlen versprochen hat, wegen angeblich fehlender Wahlunterlagen die Kandidatur. Nur 15 Einsprüche hatten Erfolg. 

Einschränkungen für internationale Wahlbeobachter

Internationale Medien berichten, dass es US-amerikanischen und EU-Wahlbeobachtern versagt blieb, ihrer Aufgabe am heutigen Mittwoch nachzukommen. Gleiches soll auch für Vertreter der katholischen Kirche gelten. Die Washington Post zitierte am vergangenen Sonntag Emilio Rossetti, EU-Repräsentant in Tansania, zur Frage der Wahlbeobachtung mit den Worten: "Im Gegensatz zu 2010 und 2015 haben die nationalen Behörden die EU nicht dazu aufgefordert".

Bereits vor Monaten war wichtigen tansanischen Menschenrechtsorganisationen das Recht auf Wahlbeobachtung entzogen worden. 

Aktuelle Berichte in den Medien:

"Tansania wählt Parlament und Präsidenten unter Mühen"
Deutsche Welle vom 28.10.2020

"Gewalt und Fälschungsvorwürfe: Opposition kritisiert Ablauf der Wahl in Tansania"
SPIEGEL vom 28.10.2020

"Wahlen in Tansania von Fälschungsvorwürfen überschattet"
evangelisch.de vom 28.10.2020

"Opposition beklagt 'verbreitete Unregelmäßigkeiten': Präsidentschaftswahl in Tansania von Manipulationsvorwürfen überschattet"
Deutschland Today vom 28.10.2020

"Tanzania election: John Magufuli faces challenge from Tundu Lissu"
BBC vom 28.10.2020

"Kampf um die Demokratie bei Präsidentschaftswahl in Tansania"
"Der Standard" vom 28.10.2020

"'Wir sind die Avantgarde der Unterdrückten'. Interview mit Dorothy Semu, stellvertretende Vorsitzende der ACT-Wazalendo über die Wahlen in Tansania"
"Neues Deutschland" vom 27.10.2020

"Menschenrechte: Kritik über Einschränkungen vor Wahlen in Tansania"
evangelisch.de vom 27.10.2020

"Tanzania elections: Why pop stars are hailing President Magufuli"
BBC vom 26.10.2020

"Observers say Tanzania’s presidential vote is already flawed"
The Washington Post vom 25.10.2020
 

Ausführliche Vorberichte zu den Wahlen in Tansania:

"Tansania vor den Wahlen: Die Manipulation ist längst im Gange"
Ausführliche Analyse der Konrad-Adenauer-Stiftung in Tansania

"Dem Tod entronnen"
SPIEGEL v. 24.10.2020 (abgedruckt im aktuellen Magazin. Im Internet nur gegen Bezahlung)