02.12.08

UN-Konferenz in Doha: Kikwete fordert Erhöhung der Entwicklungshilfe


Konferenz in Doha

Eigentlich sind sich auf der zweiten UN-Konferenz über die Finanzierung für Entwicklung (FfD) am Wochenende in Doha alle einig: Gerade in der schwersten Finanzkrise seit Jahrzehnten muss das Niveau der Unterstützung für die armen Länder zumindest gehalten, besser noch aufgestockt werden.UN-Generalsekretär Ban Ki Moon (links) und der Emir von Katar, Scheich Hamad bin Khalifa al-Thani (Mitte) eröffneten am Samstag die UN-Konferenz in Doha.

 

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy macht sich in Doha im Namen der Europäer für die Unterstützung der armen Länder ebenso stark wie Deutschlands Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. In der Hauptstadt von Katar am persischen Golf sicherten beide zu, dass Frankreich, Deutschland und auch die Europäische Union die Entwicklungshilfe weiter aufstocken wollen.

 

Regierungschefs der Industriestaaten fehlen

 

Doch das Bekenntnis auf der viertägigen Konferenz klingt halbherzig: Aus den Industrieländern ist allein Sarkozy als Chef einer Regierung angereist. Sogar Weltbank-Präsident Robert Zoellick lässt sich am Golf nicht blicken, obwohl er sich zuletzt auch bei seinem Besuch vor Wochenfrist in Deutschland nachdrücklich für die armen Länder eingesetzt und deutlich mehr Geld für sie gefordert hat.

 

Wieczorek-Zeul gibt sich in ihrer Rede vor den rund 3000 Delegierten – Präsidenten, Regierungschefs, Parlamentarier und Entwicklungsexperten – kämpferisch, prangert den Casinokapitalismus ebenso an wie die Rüstungsausgaben, verweist darauf, dass jedes Jahr 18 Millionen Menschen sterben, nur weil sie arm sind. Ihre Enttäuschung über die schwache Präsenz der Industrieländer und das Fernbleiben von Zoellick kann sie dennoch nicht verbergen. "Das wäre ein Signal gewesen", zeigt sich auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wenig begeistert. Beide hatten sich deutlich mehr Beachtung für die nach Ansicht der Ministerin wichtigste UN-Konferenz in diesem Jahr erwartet.

 

Die Konferenz soll zumindest den Monterrey-Konsens bestätigen. Dabei hatten die reichen Länder auf der ersten FfD-Konferenz 2002 in Mexiko unter anderem zugesagt, die Entwicklungshilfe schrittweise bis 2015 auf 0,7 Prozent des jeweiligen Bruttosozialprodukts zu erhöhen. Zugleich hatten die armen Länder versichert, in ihren Ländern etwa durch die Verbesserung der Steuersysteme mehr Geld für den Kampf gegen die Armut aufzutreiben.

 

Wieczorek-Zeul fordert neuen weltweiten Pakt

 

Wieczorek-Zeul ruft in Doha zu einem neuen weltweiten Pakt auf, um die Auswirkungen der Finanzkrise auf die armen Länder einzudämmen. Allein schon durch den rapiden Anstieg der Nahrungsmittel- und Energiepreise sind rund 100 Millionen Menschen wieder in die Armut gerutscht, schätzt die Weltbank. Durch die Folgen der Finanzkrise und die weltweite Rezession könnten 2009 weitere 100 Millionen dazukommen, fürchten Experten. "Die Krise bremst die Länder, die auf einem guten Weg waren", klagt die Ministerin. "Die Gefahr, dass aus der Finanzkrise eine humanitäre Krise wird, ist real."

 

Davor warnen in Doha auch Nichtregierungsorganisationen. "13 von 23 der ärmsten Länder, die gerade entschuldet wurden, sind schon wieder in einer kritischen Situation", sagt Jürgen Kaiser von der Gruppe "Erlassjahr". Es müsse jetzt darum gehen, Armut nicht nur zu beseitigen, sondern neu entstehende Armut zu verhindern, sagt Reinhard Hermle von Oxfam. Das fordern auch die vielen afrikanischen Regierungschefs, die die Konferenz nutzen, nachdem beim Weltfinanzgipfel in Washington Mitte November nicht einmal die Organisation afrikanischer Einheit (OAU) mit am Tisch saß. Jetzt reklamieren sie Mitsprache beim Kampf gegen die Krise. "Schließlich sind die Menschen in unseren Ländern direkt betroffen", sagt Tansanias Präsident Jakaya Mrisho Kikwete auch als Präsident der OUA. Die Industrieländer hielten sich nicht an ihre Zusagen, die Entwicklungshilfe jedes Jahr um 50 Milliarden Euro aufzustocken. Nach UN-Angaben waren es faktisch weniger als 20 Milliarden Dollar. 2007 ist die Entwicklungshilfe sogar von 107 auf 104 Milliarden Euro geschrumpft, die Quote sank von 0,31 auf 0,28 Prozent.

 

Auch wenn es konkrete Zusagen weiterer Gelder für die Entwicklungshilfe in Doha nicht geben wird, hofft Wieczorek-Zeul, dass zumindest in die Frage der Besteuerung grenzüberschreitender Finanzgeschäfte allmählich Bewegung kommt. Darüber sollen neue Mittel für die Entwicklungshilfe aufgebracht werden. Aber nicht nur das: Die Ministerin denkt mittlerweile auch daran, damit einen Krisenfonds für angeschlagene Banken zu speisen. Um damit künftig den Einsatz von staatlichen Rettungsschirmen und von Steuergeldern überflüssig zu machen. 

 

Rolf Obertreis in "Badische Zeitung" vom 1.12.2008