11.11.08

Furcht vor Extremisten auf Sansibar – Der Dialog zwischen Muslimen und Christen steht noch am Anfang


Sansibar

Sansibar

Die Kirche des Lutherischen Zentrums auf der Insel Sansibar ist mäßig gefüllt. Ein Chor singt inbrünstig Lieder auf Kisuaheli, verstärkt durch E-Gitarre und Keyboard. Tauben und Krähen fliegen durch die oben offenen Wände der Kirche. Ein normaler Sonntagmorgen für die winzige christliche Minderheit auf der berühmten Gewürzinsel: Nur ein Prozent der etwa eine Million Einwohner bekennt sich zum Christentum, fast alle anderen sind Muslime.

Das 30 Kilometer vor dem tansanischen Festland gelegene, halbautonome Sansibar gilt durch seine jahrtausendealten Handelsbeziehungen in alle Welt als tolerant. Doch Armut ist hier wie überall an Ostafrikas Küste ein großes Problem – ein idealer Nährboden für Extremismus. Internationale Geheimdienste vermuten, dass der politisch motivierte Islam auf der Insel immer mehr an Boden gewinnt und die Lage auch für Christen unsicher macht.

 

Eine Bombe im Dachgebälk

Bis vor einigen Jahren gab es immer wieder Übergriffe auf Christen. Zuletzt wurde 2004 ein Anschlag auf eine katholische Kirche verübt. Auch im Lutherischen Zentrum wurde einmal eine Bombe im Dachgebälk gefunden. Christlich-muslimische Paarbeziehungen sind bis heute problematisch: Wenn Christen sich in einen muslimischen Mann oder eine muslimische Frau verlieben, müssen sie in der Regel konvertieren.

Dass Christen auf Sansibar nicht unbedingt mit offenen Armen empfangen werden, hat aber auch soziale Gründe. Die meisten wandern vom Festland Tansanias zu und sind besser ausgebildet als viele einheimische Muslime. „Für die Kirche geht es hier erst einmal darum zu sagen: Wir sind hier, akzeptiert uns “, sagt der Norweger Angeir Langaas, der für die dänische Mission in Sansibar arbeitet.

 

Ein interreligiöses Kommitee

Daher gibt es bei der evangelischen Kirche ein Gesundheitszentrum für Kranke alle Religionen. „Die Bibel schieben wir den Kranken aber nicht unter“, stellt er klar. In der verwinkelten Altstadt Sansibars treffen sich christliche und muslimische Frauen zum Nähen. „Upendo“ (Liebe) heißt das von Langaas' Frau Dorthe geleitete Projekt, durch das die Frauen sich mit der Herstellung von Kinder- und Frauenkleidung ein kleines Einkommen verschaffen können.

Auf höchster Ebene befasst sich zudem ein interreligiöses Komitee mit Vertretern der Kirchen und islamischen Gemeinden mit dem Thema Frieden und Stabilität auf der Insel, die politisch von Grabenkämpfen und Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen geplagt wird. „Die führenden Muslime und Christen sehen ein, dass es eine Zusammenarbeit braucht“, sagt der indonesische Pfarrer Suko Tyiarno, der im Auftrag der Vereinten Evangelische Mission mit Sitz in Wuppertal den Dialog auf Sansibar voranbringen soll. „Beim Volk sieht das anders aus.“

 

Die charismatischen Kirchen halten nichts vom Kontakt zu Muslimen

Derzeit ist die Lage auf Sansibar zwar ruhig. Von einem zwanglosen Miteinander sind beide Seiten aber weit entfernt. Tiyarno sieht erste Erfolge dabei aus den eigenen Reihen torpediert: Die überall in Afrika erfolgreichen charismatischen Kirchen halten nämlich auf der Insel nichts von Kontakten zu Muslimen. „Sie sehen jeden als Sünder an, der nicht so ist wie sie“, kritisiert der Pfarrer. Das führt so weit, dass charismatische Gemeinden sogar an wichtigen muslimischen Feiertagen islamkritische Gottesdienste abhalten. Tiyarno muss dann Schaden begrenzen, statt die Annäherung beider Seiten voranzubringen.

Der Sekretär des Mufti von Sansibar, Sheikh Fadhil Soraga, sieht das Problem wiederum auf muslimischer Seite. Seit den 80er Jahren werde eine neue Generation sansibarischer Muslime in den Golfstaaten ausgebildet und spalte die Gemeinschaft auf der Insel, berichtet Soraga. Die jungen Muslime kehren als Wahabiten zurück, Vertreter der radikalen saudischen Variante des Islam.

„Seitdem geht der Respekt für andere Lebensweisen verloren“, beklagt Soraga. Die ersten so ausgebildeten Muslime lehnten Kontakte zu Christen kategorisch ab. Ihnen schreibt der Sekretär des Mufti auch die Übergriffe auf christliche Einrichtungen zu. „Diese Hitzköpfe haben den Islam nicht verstanden “, urteilt der ganz in Weiß gekleidete Mann. Allerdings stellen sie die junge Generation der Muslime auf der Insel – und die Befürchtung bleibt, dass diese immer mehr an Einfluss gewinnen.

Von Ann Kathrin Sost (epd)