03.01.23

Hassan: Sofortige Aufhebung des Versammlungsverbots, Änderung der Wahlgesetze und Verfassungsreform


Die historische Rede Hassans heute in Daressalam (Foto: The Citizen)

Staatspräsidentin Samia Suluhu Hassan hat heute das von ihrem autokratischen Vorgänger John Magufuli im Jahr 2015 verhängte Versammlungsverbot politischer Parteien aufgehoben. Magufuli hatte Kundgebungen als Zeit- und Geldverschwendung bezeichnet. Sie würden nur von der zentralen Aufgabe ablenken, die Wirtschaft aufzubauen.

Hassan: "Das Verbot ist nun offiziell aufgehoben!"

Mit sofortiger Wirkung dürfen jetzt wieder öffentliche Kundgebungen auch zwischen den Wahlen durchgeführt werden. Bei einem Treffen mit führenden Vertretern von 19 politischen Parteien heute im State House in Daressalam sagte Hassan laut Regierungszeitung 'Daily News' wörtlich: "Das Verbot ist nun offiziell aufgehoben." Der Beschluss bedeute weder "Chaos" noch "Unruhen". 

Beifall auch von der Opposition

Für ihre Aussage erntete die Staatspräsidentin Beifall von den anwesenden Delegierten, zu denen auch die Vorsitzenden der Oppositionsparteien Chadema und ACT, Freeman Mbowe und Zitto Kabwe, gehörten. Mbowe: "Der Schritt ist in erster Linie eine Rückkehr zu einem Recht, das in der Verfassung und in unseren Gesetzen garantiert ist."

Kabwe sagte heute der Nachrichtenagentur AFP, die Entscheidung der Präsidentin, das Verbot aufzuheben, sei ein "großer Schritt". Damit werde wieder "ein Recht in Kraft gesetzt, das der Staat durch ein illegales Präsidialdekret an sich gerissen hat."

"Ein Grundstein für die Demokratie im Land"

Ein anderer führender Oppositionspolitiker sagte heute 'Voice of America' (VOA), dass der Schritt der Präsidentin, die auch Vorsitzende der Regierungspartei CCM ist,  "ein Grundstein für die Demokratie im Land" sei.

Kumbusho Dawson, geschäftsführender Direktor der nichtstaatlichen Menschenrechtsorganisation 'Reach Out Tanzania', sagte VOA, er blicke optimistisch in die Zukunft, denn es sei etwas geschehen, "das gut für die Nation ist, weil die politischen Parteien jetzt wieder die Probleme der Menschen erklären und ihre Politik vorstellen können."

Hassan: "Versammlungsfreiheit ist ein verfassungsmäßiges Recht"

Die Staatspräsidentin sagte auf der heutigen Tagung, dass politische Versammlungen ein verfassungsmäßiges Recht seien mit der Pflicht der Regierung, sie zu schützen. Die Präsidentin warnte jedoch davor, die bestehenden Gesetze zu brechen, dann werde die Regierung nicht die Waffen strecken. Alle Parteien seien aufgerufen, sich an die Rechtsstaatlichkeit zu halten.

Außerdem bat sie um "positive Kritik. Kritik, die die Nation aufbaut und keine persönlichen Angriffe." Oppositionsparteien würden Herausforderungen aufzeigen, auf die die Regierung dann reagieren müsse. "Wenn wir in der Lage sind, diese Herausforderungen anzugehen, werden die Menschen hinter uns stehen", sagte Hassan.

Hassan kündigt Verfassungsreform an

In ihrer Ansprache teilte die Staatspräsidentin mit, dass die Regierung auch beschlossen habe, die umstrittene Verfassung zu überarbeiten. Dies fordert die Opposition schon seit langer Zeit, die Gespräche zur Verfassungsreform stocken bereits seit acht Jahren.

Hassan kündigte die Bildung eines spezielles Teams an, das die Regierung beraten soll. Hassan: "Vielleicht brauchen wir ein komplett neues Dokument oder wir müssen nur die bestehenden Dokumente aktualisieren".

Änderung der umstrittenen Wahlgesetze

Die Verfassung ist laut Hassan aber nicht nur für politische Parteien wichtig, sondern für alle Tansanier. Daher soll ein Komitee gebildet werden, dem Menschen aus allen Bereichen angehören.

In der Zwischenzeit sollen aber bereits Gesetze wie die vielfach kritisierten Wahlgesetze auf dem Festland und auf Sansibar überarbeitet oder neu verfasst werden.

Hassan will Gespräche mit allen Parteien fortsetzen

Präsidentin Hassan kündigte weitere Gespräche mit den Oppositionsparteien an. Laut 'The Citizen' sagte sie: "Die Diskussionen zwischen der Regierung und den politischen Parteien sind noch im Gange; es gibt viele Dinge, die wir miteinander besprechen müssen, über die wir beraten werden und die wir mit gutem Willen akzeptieren oder ablehnen können. Ich glaube, dass die politischen Parteien sich weiterhin zusammensetzen und über Dinge sprechen werden, die unser Land betreffen."

Erst vor wenigen Tagen wurde auch eine Reform der restriktiven Pressegesetze angekündigt.

Beschluss der Präsidentin ist Teil ihrer 4R-Initiative

Die BBC und die Nachrichtenagentur Reuters machen in ihrer heutigen Berichterstattung auch noch darauf aufmerksam, dass Samia Suluhu Hassan ihren Beschluss als "Teil ihrer 4R-Initiative: Reconciliation, Resilience, Reforms and Rebuilding" (Versöhnung, Resilienz, Reformen und Wiederaufbau) bezeichnet habe.

Auch Amnesty International begrüßt die Entscheidung der Präsidentin

Amnesty International (AI) begrüßte am heutigen Dienstagabend die Entscheidung der Staatspräsidentin. Roland Ebole, AI-Regionalreferent für Tansania und Uganda sprach von einem "begrüßenswerten Schritt in die richtige Richtung" und ergänzte: "Obwohl das Verbot von vornherein nicht hätte ausgesprochen werden dürfen, begrüßen wir die Entscheidung der tansanischen Regierung, das generelle Verbot politischer Kundgebungen aufzuheben, das in der Vergangenheit dazu benutzt wurde, prominente Oppositionspolitiker, die Kundgebungen organisierten, willkürlich zu verhaften und inhaftieren."

Ebole weiter: "Dies ist ein begrüßenswerter Schritt in die richtige Richtung, und wir fordern die tansanischen Behörden auf, noch weiter zu gehen und auf einen besseren Schutz der Menschenrechte hinzuarbeiten, unter anderem durch die Aufhebung oder Änderung des Gesetzes über politische Parteien, um alle Hindernisse für das Recht auf friedliche Versammlung, Vereinigung und freie Meinungsäußerung zu beseitigen."