19.03.09

Heftige Kritik an Benedikts Äußerung über Kondome: "Papst lebt in totalem Autismus"


Der Papst in Afrika

Papst in Afrika

Die spanische Regierung unter der Führung des sozialistischen Ministerpräsidenten Zapatero hat beschlossen, als Sofortmaßnahme zur Vorbeugung gegen Aids eine Million Kondome nach Afrika zu schicken. Die Entscheidung folgte nur einen Tag auf die Äußerung von Papst Benedikt XVI., wonach die Benutzung von Präservativen das Gesundheitsproblem noch verschärfe. Das spanische Gesundheitsministerium widersprach dem Papst in einer Stellungnahme mit dem Hinweis: „Kondome retten Leben“.

 

Die Kondome, die rund 120 000 Euro kosten, werden aus dem Budget des Gesundheitsministeriums bezahlt. Sie sollen durch Nichtregierungsorganisationen in verschiedenen afrikanischen Ländern verteilt werden. Ein Sprecher von Gesundheitsminister Bernat Soria verband diese Ankündigung mit der Aufforderung an Papst Benedikt XVI., seine Aussagen rasch zu korrigieren. „Seine Heiligkeit war sehr schlecht beraten. Der Papst müsste ihnen ein Mea Culpa folgen lassen, weil er eine Botschaft wider alle wissenschaftliche Erkenntnis verkündet hat“, sagte Soria.

 

 

„Weitere Provokation“

 

Während in einem großen Teil der spanischen Öffentlichkeit ebenfalls die Kritik an Benedikt XVI. überwog, sprachen Vertreter der konservativen Opposition Spaniens von einer weiteren „Provokation“ der katholischen Kirche im eigenen Lande.

 

Hintergrund dieses Vorwurfs ist ein Konflikt zwischen Kirche und Staat wegen einer geplanten Reform der Abtreibungsgesetze. Die Regierung unter Ministerpräsident Zapatero beabsichtigt eine Liberalisierung mit Fristenregelung und voller Entscheidungsfreiheit für Schwangere ab sechzehn Jahren. Die spanische Bischofskonferenz hatte erst vor wenigen Tagen dagegen eine Plakat-Kampagne in vierzig großen Städten begonnen. Auf ihnen wird behauptet, dass gefährdete Tierarten wie der iberische Luchs in Spanien besser geschützt seien als Ungeborene.

 

 

„Papst lebt in totalem Autismus“

 

Auch aus Frankreich wurden Stimmen der Empörung vernommen. „Dieser Papst fängt an, ein echtes Problem darzustellen“, entfuhr es Alain Juppé, dem früheren französischen Premierminister, der gewöhnlich als zurückhaltender gilt. Juppés Reaktion ist bezeichnend für die empörte Stimmung, die in Frankreich nach den Äußerungen Papst Benedikt XVI. gegen die Verwendung von Kondomen zur Aids-Prävention vorherrscht. „Der Papst lebt anscheinend in einem totalen Autismus“, sagte Juppé.

 

Der Vorsitzende der Modem-Bewegung, der praktizierende Katholik Francois Bayrou, verurteilte die Äußerungen des Papstes als „unannehmbar“. Es sei oberste Christenpflicht, das Leben zu schützen. „Auf dem afrikanischen Kontinent sind zigmillionen Menschen durch Aids vom Tod bedroht. Das ist wirklich nicht der Ort für moralische Lektionen. Man muss auch die Wirklichkeit wahrnehmen“, sagte Bayrou.

 

Die frühere sozialistische Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal sagte, sie sei „zutiefst schockiert“ und forderte andere Katholiken auf, ihre Stimme zu erheben und sich von den Positionen des Papstes zu distanzieren. Die Vorsitzende der Kommunistischen Partei, Marie-George Buffet, hielt dem Papst vor, sich bei seiner ersten Afrika-Reise „unverantwortlich und kriminell“ geäußert zu haben. Auch jene Politiker, die in der Debatte über den Holocaust-Leugner Williamson für den Papst noch Partei ergriffen hatten, kritisieren jetzt öffentlich das Oberhaupt der Katholischen Kirche.

 

 

„Brauchen eine klare Botschaft der Prävention“

 

Der Vorsitzende der Präsidentenpartei UMP und ehemalige Gesundheitsminister Xavier Bertrand bezeichnete die Botschaft des Papstes in Afrika als „unverantwortlich“. „Wir müssen die Bevölkerung schützen und brauchen eine klare Botschaft der Prävention“, sagte Bertrand. „Das Kondom ist immer noch das beste Mittel des Schutzes, und nicht nur in Afrika“, sagte er.

 

Das Außenministerium hatte schon am Vortag in einer Erklärung die Äußerungen des Papstes zurückgewiesen. Besonders heftig fällt der Protest bei den französischen Hilfsorganisationen aus, die auf dem afrikanischen Kontinent sehr aktiv sind. „Die Papstworte sind schwerwiegend, weil sie in Afrika Wirkung entfalten werden, wo zwei Drittel der gesamten Aidskranken leben“, sagte Béatrice Luminet von „Médecins du Monde“.

 

 

Der Papst in Afrika: Messe vor 60.000 Gläubigen

 

Der Papst hat indes seine Reise durch Afrika fortgesetzt. Bei einer Open-Air-Messe in der Kameruner Hauptstadt Yaoundè hat er Afrikas Jugend Mut in schwieriger Lebenslage zugesprochen. Mit Gottvertrauen könne Afrika „der Kontinent der Hoffnung“ werden. Seine Botschaft gelte den „Kindern, die keinen Vater mehr haben oder die alleingelassen im Elend der Straße leben, sowie denen, die gewaltsam von ihren Eltern getrennt wurden, die misshandelt und in paramilitärische Truppen eingegliedert werden.“

 

Die Messe war der Höhepunkt seines knapp dreitägigen Besuchs in Kamerun. Vor etwa 60.000 Gläubigen in dem voll besetzten Stadion der Hauptstadt warnte Benedikt die Afrikaner auch vor einer „Tyrannei des Materialismus“. Er rief die Katholiken auf dem Kontinent auf, „sich um ihre Seele zu kümmern“. Sie sollten sich nicht einfangen lassen von „egoistischen Illusionen und falschen Idealen“, meinte der Papst.

 

 

Dialog der Religionen

 

 

Bei der Messe wurde auch ein Arbeitsdokument an die afrikanischen Bischöfe für die für Oktober in Rom vorbereitete zweite Afrika-Synode übergeben. Das Papier geht auf gut 50 Seiten auf die „Kirche in Afrika im Dienst der Versöhnung, der Gerechtigkeit und des Friedens“ ein und behandelt die Auswirkungen von Globalisierung und Weltwirtschaftsflaute auf den Kontinent. Die Ausbeutung Afrikas durch multinationale Konzerne wird darin ebenso scharf kritisiert wie eine „schädliche“ Politik internationaler Finanzinstitutionen.

 

Zuvor hatte sich Benedikt vor Muslimen für einen vertieften Dialog der Religionen eingesetzt. „Möge die enthusiastische Zusammenarbeit zwischen Muslimen, Katholiken und anderen Christen in Kamerun ein Leuchtfeuer für andere afrikanische Nationen sein“, sagte Benedikt. Die Atmosphäre des Treffens wurde als freundschaftlich beschrieben. In Kamerun ist etwa jeder Fünfte Muslim, 40 Prozent sind Christen.

 

Am Freitag reist Benedikt nach Angola. Am Montag beendet er seinen ersten Afrika-Besuch als Papst und kehrt nach Rom zurück.

 

Aus: "Frankfurter Allgemeine Zeitung", FAZ.NET, vom 19.3.2009