19.02.21

US-Botschafter würdigt den Mut des verstorbenen Vizepräsidenten Sansibars


Seif Sharif Hamad

Aktualisierung: Der vorgestern in Sansibar nach einer Corona-Erkrankung verstorbene sansibarische Vizepräsident Seif Sharif Hamad ist gestern unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in seinem Heimatort Mtambwe auf der Insel Pemba beigesetzt worden. Nach der Beerdigung sagte der 2. Vizepräsident Sansibars, Hemed Suleiman Abdallah: "Wir werden uns an Hamad als einen der Menschen erinnern, die für die Einheit und Versöhnung unter den Menschen in Sansibar gekämpft haben". 

US-Botschafter würdigt den Mut des Verstorbenen

Der US-Botschafter in Tansania, Donald Wright, würdigte in einem Nachruf den Mut des verstorbenen Vizepräsidenten, sich zu seiner Corona-Erkrankung zu bekennen:

"In seinen letzten Tagen beging er zwei letzte mutige Taten: Erstens unterstützte er Sansibars Regierung der Nationalen Einheit und schloss sich Präsident Mwinyi an, um vergangene Wunden zu heilen und ein Führer für alle Sansibaris zu sein. Zweitens informierte er nach seiner Covid-19 Erkrankung die Welt über seine Diagnose und demonstrierte damit erneut seine Hingabe für die Gesundheit und Sicherheit aller Tansanier. Lassen Sie uns zu Ehren seines Mutes und in Erinnerung den eingeschlagenen Weg fortsetzen und unser Bestes tun, um seinem Erbe gerecht zu werden."

Das Statement der US-Botschaft in Daressalam

Über 100.000 Menschen nahmen Abschied

Vor der Überführung nach Pemba hatten Hamad gestern geschätzt über 100.000 Menschen in der Stadt Sansibar das letzte Geleit gegeben. Zuvor war der mit der Flagge Sansibars bedeckte Sarg auf einem mit der tansanischen Nationalflagge bedeckten LKW vom Muhimbili National Hospital in Daressalam zum Flughafen gebracht worden. Hierfür wurden die Zufahrtsstraßen vom Militär für den Straßenverkehr abgesperrt. Mit einem staatlichen Hubschrauber ging es dann weiter nach Sansibar, wo auf dem Mnazi Mmoja Gelände bereits Zehntausende eng gedrängt und fast ausschließlich ohne Schutzmasken auf das Eintreffen des Leichnams des populären Politikers warteten.

Auf Sansibar Menschenmassen am Straßenrand

Während der Überführung vom Flughafen zum Mnazi Mmoja Gelände, wo an erster Stelle Sansibars Präsident Hussein Ali Mwinyi (ohne Gesichtsschutz) wartete, standen Menschenmassen, darunter auch ganze Schulklassen, dicht gedrängt rechts und links an den Straßen, um sich von Hamad zu verabschieden. Das Fernsehen berichtete in einer mehrstündigen Sondersendung live.

Der Vizepräsident war vorgestern im Alter von 77 Jahren im Muhimbili National Hospital in Daressalam gestorben. Der Vorsitzende der Partei ACT-Wazalendo, die sich auf Sansibar in einer Einheitsregierung mit der Mehrheitspartei CCM befindet, war bereits am 31. Januar mit einer Corona-Infektion ins Mnazi Mmoja Krankenhaus von Sansibar eingeliefert worden.

Magufuli ordnete dreitägige Staatstrauer an

Aus ganz Tansania wird eine große Betroffenheit gemeldet. Staatspräsident John Magufuli hat für ganz Tansania eine dreitägige Staatstrauer ausgerufen. Auf Sansibar, wo durch die Todesnachricht nicht nur Parteifreunde Hamads schockiert sind, wurde eine siebentägige Staatstrauer verkündet. Die Beisetzung fand gestern im Heimatort Hamads auf der Insel Pemba statt.

"This is Maalim Seif Sharif Hamad's family, political life" (in engl.)
'The Citizen' vom 18.2.2021

Trauer, Ängste und Verunsicherung in der Bevölkerung

Mitglieder von deutschen Tansaniagruppen erhalten aus tansanischen Partnergemeinden Nachrichten über große Ängste und Unruhe, die die Todesnachricht ausgelöst hat.

Noch bis vor zwei Wochen sind die meisten Menschen davon ausgegangen, dass Covid-19 ihr Land weitgehend verschont hat. Eine Kontaktperson aus Bagamoyo berichtete gestern nachmittag von einer "plötzlichen großen Verunsicherung über die Gefahr durch Corona". Obwohl bereits vor mehreren Tagen die Warnungen der evangelischen und katholischen Kirche landesweit in allen Gemeinden bekannt gegeben wurden und im Straßenbild jetzt auch wieder vereinzelt Gesichtsschutz zu erkennen ist, bewegen sich trotz aller Sorgen die meisten Tansanier immer noch ohne Masken und Abstandswahrung außerhalb ihres eigenen Hauses.

Tansania gilt offiziell immer noch als "corona-frei"

Obwohl ganz Tansania nach Angaben der Regierung seit nunmehr fast 10 Monaten als "corona-frei" gilt und die öffentliche Mitteilung über Erkrankungen unter Strafe gestellt ist, hatte der Vizepräsident seine Infizierung sowohl selbst als auch durch seine Partei öffentlich bekannt gemacht. Auch Hamads Frau und andere Familienmitglieder begaben sich vor über zwei Wochen in Quarantäne. Über den Zusammenhang mit Corona haben gestern sowohl die Tageszeitungen 'The Citizen' als auch Ippmedia und verschiedene andere afrikanische Medien berichtet, nicht jedoch die regierungsnahe Tageszeitung 'Daily News'.

Staatspräsident John Magufuli drückte über Twitter dem Präsidenten und dem Volk von Sansibar, der ACT-Wazalendo sowie der Familie des Verstorbenen sein Beileid aus.

Die gestrige Erklärung des Präsidenten von Sansibar (in Kisuaheli)

Immer mehr Berichte über Erkrankungen und Todesfälle in Tansania

In den letzten zwei Wochen häufen sich Berichte über zunehmende Erkrankungen und Todesfälle in Tansania. Die katholische und die evangelische Kirche, die Oppositionsparteien, Nicht-Regierungsorganisationen, ein CCM-Parlamentsabgeordneter und vorgestern die Tansanische Medizinervereinigung, die circa 2.500 tansanische Mediziner repräsentiert, fordern von der Regierung die Anerkennung der Pandemie und die schnelle Einleitung von staatlichen Schutzmaßnahmen. Die Medizinervereinigung fordert sogar die vom Präsidenten als "gefährlich" abgelehnte Zulassung von Corona-Schutzimpfungen.

Während sich aktuell mehrere tausend - überwiegend aus Russland und der Ukraine stammende - Urlauber vollkommen ungeschützt auf Sansibar aufhalten und Strandpartys feiern, befürchtet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Ausbreitung der südafrikanischen Covid-19-Mutation auf ganz Tansania. Die Frankfurter Rundschau berichtet, dass "im populären Sender 'Radio One' die tägliche Verlesung der Namen von Verstorbenen inzwischen 50 statt 10 Minuten dauert".  

Sehr große Sorgen in deutschen Partnergemeinden und Tansania-Gruppen

Immer mehr deutsch-tansanische Partnergruppen berichten aktuell von Infektions- und Todesfällen in ihren Partnergemeinden. In vielen Städten sind die Krankenhäuser überfüllt. Eine intensivmedizinische Versorgung kann fast nirgendwo angeboten werden. Auch aus Bagamoyo wird jetzt von "täglichen plötzlichen Todesfällen in großer Zahl" berichtet. Die Katholische Kirche meldet aus Gemeinden ganz Tansanias tägliche Beerdigungen als Folge von "Lungenerkrankungen" - ein inzwischen gängiger Begriff, mit dem das staatlich verordnete Verbot über die Meldung von Corona-Erkrankungen umgangen wird.