24.02.09

Nach erfolgreicher Testreihe in Bagamoyo: 16.000 Kinder werden gegen Malaria geimpft


Anopheles

In den nächsten Monaten sollen 16.000 Kinder in Afrika gegen die gefährliche Malaria tropica geimpft werden. In Vorversuchen schützte die Vakzine Säuglinge, die am stärksten Betroffenen. In den Vorversuchen schützte der Impfstoff 65 Prozent der geimpften Kinder – das ist bei Malaria eine hohe Rate.

 

Marcel Tanner ist zur Zeit schwer erreichbar. Der Direktor des Schweizerischen Tropeninstituts in Basel ist dabei, zusammen mit Kollegen aus aller Welt den grössten klinischen Versuch mit einem möglichen Impfstoff gegen Malaria zu koordinieren.

 

In diesen Tagen beginnen Ärzte in elf afrikanischen Zentren schwangere Frauen anzusprechen und über die neuartige Impfung zu informieren. Rund 16.000 Kleinkinder sollen in den nächsten Monaten mit einem viel versprechenden Stoff geimpft werden, der im Fachjargon «RTS,S» heisst. «Dieser Impfstoff ist der erste, der funktioniert», sagt Tanner und die Begeisterung darüber ist ihm deutlich anzumerken. Der Parasitologe und Epidemiologe forscht seit über 30 Jahren unter anderem an der tödlichen Malaria tropica.

 

Die allerersten Impfversuche gegen die gefährliche Krankheit führte Tanner mit seinem Team in Afrika durch. Zwischen 1992 und 1994 immunisierte er in Tansania Kinder im Alter von 1 bis 4 Jahren. Die Wirksamkeit lag zwar nur bei 31 Prozent, lieferte aber immerhin einen gewissen Schutz gegenüber den tückischen Malariaanfällen. Doch dieser erste Impfstoff scheiterte im entscheidenden Test: beim Schutz der Säuglinge. Die Kleinsten waren trotz Impfung nicht vor einer Infektion mit dem Malaria-Erreger Plasmodium falciparum gefeit.

 

Frühe Impfung ist wichtig

Die jetzt in der ersten grossen Studie eingesetzte Impfsubstanz RTS,S hat diese wichtige Hürde bereits genommen. Der Stoff wirkt auch bei Säuglingen, wie die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse aus Vorversuchen zeigen. «Bei der Malaria ist es wichtig, sehr früh zu impfen», erklärt Tanner und zeichnet in seinem mit afrikanischen und asiatischen Kunstgegenständen voll gestellten Büro eine Kurve auf: Der steile Anstieg zeigt die Anzahl der Infektionen bei afrikanischen Kindern in den ersten Lebensmonaten.

 

Die Infektionsrate geht bis zum 4. Lebensjahr zurück, die Kurve flacht ab. Der Grund dafür ist, dass einige Kinder teilweise immun gegen den Erreger werden, weil sie ihm ständig ausgesetzt sind. Viele Kinder sind bis dahin jedoch an den Fieberanfällen der Malaria gestorben.

 

In den Vorversuchen schützte die Substanz RTS,S die geimpften Kinder im tansanischen Bagamoyo zu 65 Prozent während der beobachteten drei Monate vor einer Malariainfektion. Das erscheint auf den ersten Blick wenig, schliesslich erkrankten von 100 geimpften Kindern immer noch 35. Zum Vergleich: Die Masernimpfung schützt zu 95 Prozent.

 

Erreger sind sehr wandlungsfähig

 

Ein 65-prozentiger Schutz vor dem «komplexen und virtuosen» Malariaparasiten sei jedoch hoch, erläutert Tanner, denn die Malaria-Erreger seien schwer zu fassen. Die einzelligen Plasmodien sind äusserst wandlungsfähig und können oftmals der körpereigenen Abwehr entkommen. Aus dem gleichen Grund halten auch Medikamente die Malaria-Erreger schnell nicht mehr in Schach. Die neuen Kombinationstherapien greifen deshalb an mehreren Stellen an.

 

Doch was ist das Besondere an dem Impfstoff RTS,S, der bereits vor 20 Jahren in den Labors von GlaxoSmithKline entwickelt wurde? Die Substanz ahme ein Oberflächenprotein des Malaria-Erregers nach, so Tanner, ein unentbehrliches Protein für den Parasiten. Alle mehr als 100 Stämme von Plasmodium falciparum, die sich genetisch unterscheiden, haben dieses Protein nicht verändert. Es kann also als optimales Erkennungszeichen für das Immunsystem gegen den Eindringling dienen.

 

«Beim ersten Einsatz des Impfstoffes 1997 hatte aber auch diese Substanz nur eine vorübergehende Wirkung», erzählt Tanner. Inzwischen sei das Molekül jedoch chemisch verändert worden und ein geeigneter verstärkender Zusatzstoff beigefügt worden, der das Immunsystem gezielt anregt, ein sogenanntes Adjuvans.

RTS,S musste aber noch einen weiteren wichtigen Test bestehen. «Die Malariaimpfung darf die Wirkung anderer Impfstoffe nicht beeinflussen», so Tanner. In der Praxis ist es nur möglich, die Malaria-Immunisierung bei den Neugeborenen zusammen mit den gängigen Säuglingsimpfungen zu verabreichen. Der logistische Aufwand wäre ansonsten zu hoch.

 

Alle elf afrikanischen Zentren, an denen in Kürze die Kinder geimpft werden, führen das von der WHO 1974 initiierte Säuglingsimpfprogramm durch, das sogenannte «Expanded Program on Immunization», kurz EPI. Bei der Umsetzung dieses Impfprogramms sind einige afrikanische Länder recht weit. «Das sind die Früchte einer jahrzehntelangen Arbeit vor Ort», sagt Tanner. «Oft nehmen die Einheimischen eher ihren Impfausweis als Identifikationskarte mit statt ihres Personalausweises», das zeige die grosse Akzeptanz.

 

Mit anderen Impfungen kombinieren

 

Tanner arbeitet seit drei Jahrzehnten regelmässig für einige Wochen in Tansania, wo er auch fünf Jahre lang zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern lebte. Dort leitete er in den 1980er-Jahren die Aussenstelle des Schweizerischen Tropeninstituts, das Feldlabor in Ifakara, das 1996 zum tansanischen Ifakara Health Institute wurde. Bis heute pflegen die beiden Institute eine enge partnerschaftliche Zusammenarbeit in zahlreichen Forschungsprojekten.

 

Der Impfstoff RTS,S nahm auch die zweite Hürde. Ein grosser Erfolg war, dass er bei 340 Kleinkindern in Bagamoyo, Tansania, zusammen mit den Säuglingsimpfungen gegen Diphterie, Tetanus, Keuchusten, Haemophilus influenzae und Masern einen zusätzlichen Schutz gegen Malaria verlieh. Aber er beeinflusste die Wirkung der Säuglingsimpfungen nicht.

 

«Bisher ist noch nie ein derart überzeugender Schutz durch eine Impfung gegen Malaria gelungen», sagt Tanner. Die Hoffnungen, dass auch dieser Versuch mit den 16'000 Kindern erfolgreich verläuft, sind gross. Bis zum Frühling 2011 soll die Studie abgeschlossen sein.

 

Anke Fossgreen in baz.online v. 23.2.2009