18.01.09

Neues KCMC-Albino-Projekt von Arusha bis zu den Usambara-Bergen


Albino-Kind in einer tansanischen Schule

Schockierende Meldungen über die Verfolgung der Albinos in Tansania fanden in den vergangenen Monaten ihren Weg auch in die heimischen Medien. Während die Regierung in Dodoma versucht gegenzusteuern, gelten Albinos vor allem in ländlichen Gebieten vielfach noch immer als verhext, bestimmte Körperteile von Erkrankten werden von gerissenen Geschäftemachern als Heilmittel verkauft. Ein Bericht aus dem Afrika-Magazin Indaba.

Jumilia war ein 17-jähriges Albinomädchen aus der Nähe von Victoria. Sie musste wegen Sehprobleme die Schule vorzeitig verlassen. Um etwas Geld zu verdienen, verkaufte sie Erdnüsse. Eines Abends saß sie mit ihrer Mutter in der Hütte beim Abendessen, als zwei Männer hereinstürmten, die Mutter beiseite drängten und dem Mädchen mit einer Machete beide Beine abtrennten. Jumilia hat diesen Angriff nicht überlebt.

Albinismus weit verbreitet

Das ist heute Realität in Tansania, solche Meldungen gibt es fast wöchentlich. Und es ist nur ein Aspekt dessen, was Albinos in Tansania mitmachen müssen. In Tansania kommt Albinismus sehr häufig vor, nämlich im Verhältnis 1:1500. Es wird vermutet, dass in diesem ostafrikanischen Land ca. 150.000 Menschen an Albinismus leiden, genaue Zahlen sind aber nicht bekannt.

In Tansania sterben Albinos sehr früh an Hautkrebs, ihre Lebenserwartung liegt weit unterhalb jener der Normalbevölkerung: sie werden im Durchschnitt zwischen 30 und 40 Jahren alt. Albinos leben ausgegrenzt von der Gesellschaft, sie müssen sich täglich mit Erniedrigungen auseinandersetzen und nun auch mit der tödlichen Bedrohung aufgrund von Hexenglauben. Abgesehen davon haben die Betroffenen oft Augenprobleme, sie sind kurz- oder weitsichtig, manche sogar blind. Und Frauen, die nicht über Albinismus informiert sind, tragen ihre kleinen Albino-Kinder bei der Feldarbeit häufig auf dem Rücken und verstehen nicht, warum die Kleinen, die durch die starke Sonneneinstrahlung Hautverbrennungen erleiden, dauernd schreien.

Ausgrenzung

Dadurch ergeben sich weitere Probleme - infolge der Ausgrenzung sitzen die Kinder oft hinten in den Klassen, wo sie aufgrund ihrer Sehprobleme nichts mehr auf der Tafel erkennen können. Sie haben keine Möglichkeiten, Sehbehelfe zu bekommen, und verfügen dann oftmals nur über eine mangelnde Schulausbildung. Viele werden erst gar nicht in die Schule gegeben, weil die Eltern denken, dass die Kinder dumm sind. Ein weiteres Problem ist, dass sie Schuluniformen tragen müssen. Diese bestehen meist aus kurzen Hosen und Hemden - für ein Albinokind eine Katastrophe. Aufgrund ihrer mangelnden Schulausbildung haben Albinos geringere Jobchancen.

Albino-Projekt

Zwei Dermatologen haben im Bereich des Kilimanjaro ein Albinoprojekt ins Leben gerufen, das vom Regional Dermatological Training Centre (RDTC) des Kilimanjaro Christian Medical Center (KCMC) in Moshi durchgeführt wird.

Das "Albino outreach project" betreut Albinos zwischen Arusha und den Usambara-Bergen. Dort leben rund 6.000 Albinos, im Jahr 2008 waren ca. 500 davon in regelmäßiger medizinischer Betreuung. Ziel des Projekts ist, Hautkrebs zu reduzieren, Aufklärung der Leute sowie eine Verbesserung der Berufsaussichten der Albinos.

Das funktioniert folgendermaßen: Es gibt einen Koordinator (der selber Albino ist), und jedes halbe Jahr fahren die Mitarbeiter zu den Dörfern. Die Albinos kommen in die kleinen ländlichen Kliniken zur Kontrolle. Es wird aufgezeichnet, wer in der Familie Albino ist, wie lange sie am Tag der Sonne ausgesetzt sind und ob sie Sonnencreme verwenden. Es wird die Haut untersucht, ob es Sonnenschäden oder Formen von Hautkrebs gibt. Man erklärt den Patienten, wie die Sonnencreme aufgetragen werden soll, welche Kleidung sie verwenden sollen, und gleichzeitig erhalten sie Sonnencreme für ein halbes Jahr, Lippenschutz, Sonnenbrillen, wenn vorhanden, und Hüte und Kleider. Die Kleider werden teilweise von Albinos hergestellt, manche sind zu Schneiderinnen ausgebildet worden.

Weiters werden offizielle Schreiben verfasst, damit die Kinder in der Schule vorne sitzen dürfen und keine Schuluniform tragen müssen. Es gibt auch ein Informationsheft zum Thema Albinismus in Englisch und in Kiswahili. Vorstufen von Hautkrebs werden behandelt und die Leute gegebenenfalls an die Klinik weiter verwiesen. Die Behandlungskosten werden alle vom Projekt übernommen.

Mythen

Diese Vorgangsweise konnte große Erfolge verbuchen. Fälle von Hautkrebs sind deutlich zurückgegangen, im Jahr 2007 hat es in der Region keinen Hautkrebs-assoziierten Todesfall gegeben. Das Projekt soll deswegen weiter ausgedehnt werden.

Dennoch kann das Albino-Projekt nicht für alles sorgen. Die Betroffenen haben nicht nur medizinische Probleme - sie werden ausgegrenzt, manchmal werden sie versteckt, sie kommen als Heiratskandidaten nicht in Frage und sie werden beschimpft. Außerdem gibt es viele Legenden und Mythen über Albinos. Zum Beispiel, Gott wolle die Familie bestrafen, ein Albino mache die Familie unrein und sei Anzeichen dafür, dass die Mutter Inzest oder Sex mit einem Weißen oder Kobold gehabt habe. Albinos werden als Geister, als unnatürlich betrachtet, sie sterben nicht, sondern verschwinden einfach. Es wird gedacht, dass sie ansteckend seien und einen Fluch verbreiteten. Eine neuere Geschichte ist, dass Sex mit einer Albinofrau Aids heilen könne.

Diese Geschichten sind sehr ambivalent. Einerseits werden Albinos als Monster dargestellt, die entfernt werden müssen. Das ist auch in Westafrika die übliche Praxis, weswegen man in vielen afrikanischen Ländern selten Albinos sieht. Andererseits wird gedacht, dass Albinos Halbgötter seien und besondere Kräfte besäßen; Albinohaare im Fischernetz ergäben demnach einen guten Fang, Körperteile von Albinos in der Nähe von Bergwerken einen guten Fund, ein Getränk aus verschiedenen Albinokörperteilen führe zu Reichtum.

Demonstration von Albinos

Seit 2007 sind zumindest 30 Albinos ermordet worden, vor allem Frauen und Kinder. Albinos leben in täglicher Todesangst, sie verstecken sich, sie gehen nicht alleine auf die Straße, sie fliehen in andere Landesteile. Die Kinder gehen nicht mehr in die Schule und in weiterer Folge kommen die Leute auch nicht mehr zu den Kliniken.

Das offizielle Tansania versucht, etwas dagegen zu tun, auch Präsident Jakaya Kikwete hat den Hexenglauben und die Morde an Albinos verurteilt. Vor kurzem gab es sogar eine Demonstration von Albinos. Auch versucht der Staat, eine Albinozählung zu organisieren; es werden Wachen aufgestellt, die Kinder werden zur Schule begleitet - aber dennoch kommt es immer wieder zu Überfällen und Morden. Die Zukunft der Albinos in Tansania ist trotz aller dieser Ansätze sehr ungewiss - momentan weiß niemand, wie es weitergehen wird.

(Aus: "Der Standard" vom 17.1.2009. Gekürzte Fassung. Der Volltext des Artikels erscheint in der aktuellen Ausgabe von Indaba.)