18.10.20

Amnesty International veröffentlicht Bericht über Tansania


In einem bereits am 12. Oktober veröffentlichten Bericht wirft Amnesty International unter dem Titel „Lawfare - gesetzliche Unterdrückung vor den Parlamentswahlen in Tansania“ dem tansanischen Staatspräsidenten John Magufuli vor, „ein beeindruckendes Arsenal an Gesetzen aufgebaut zu haben, um alle Formen von Dissens zu unterdrücken und das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedlicher Versammlung vor den Wahlen am 28. Oktober wirksam einzuschränken.“

In den letzten Monaten seien Kandidaten der Opposition unter „falschen Anschuldigungen festgenommen und ihnen das Recht auf Versammlungs-, Vereinigungs- und Bewegungsfreiheit entzogen worden.“

"Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung"

Amnesty kritisiert, dass gleichzeitig Regeln in Kraft getreten sind, die nach Meinung der Menschenrechtsorganisation darauf abzielen, die Kontrolle der Regierung über die Veröffentlichungen nationaler und ausländischer Medien zu verschärfen und das Recht auf freie Meinungsäußerung zu verletzen.

"Niemand weiß mehr, ob er auf der richtigen oder der falschen Seite steht"

Deprose Muchena, Direktorin von Amnesty International für Ost- und Südafrika: „Tansania hat die Gesetze so sehr verschärft, dass niemand mehr wirklich weiß, ob er auf der richtigen oder der falschen Seite steht. Politiker wurden verhaftet, weil sie Versammlungen abgehalten oder daran teilgenommen haben. Medienhäuser wurden suspendiert und verboten. Online-Aktivismus wurde unter Strafe gestellt und NGOs wurden mit endlosen Vorschriften unterdrückt.“

Von den neuen Vorschriften seien nicht nur Regierungskritiker betroffen, sondern die Zivilgesellschaft insgesamt, Journalisten, Künstler, Musiker und Diplomaten. Dies sei gerade vor einer Wahl besorgniserregend für ein Land, das sich für mehr Wachstum und Entwicklung positioniert.

Amnesty nennt zahlreiche Beispiele

Amnesty führt in dem Bericht zahlreiche Beispiele an: Am 12. Juni sei der Vorsitzende der oppositionellen Allianz für Veränderung und Transparenz (ACT - Mzalendo), Zitto Kabwe, rechtwidriges Verhalten vorgeworfen worden wegen eines Treffens mit der britischen Botschafterin Sarah Cooke. Denn „ein Nicht-Staatsbürger darf nicht am Entscheidungsprozess einer politischen Partei teilnehmen, um die Ziele dieser Partei zu fördern“.

Am 23. Juni wurde Kabwe mit sieben weiteren Parteimitgliedern verhaftet unter dem Vorwurf, eine „illegale Versammlung“ abgehalten zu haben. Tatsächlich hätte es sich aber lediglich um einen nicht-öffentlichen Parteitag gehandelt. 

Am 7. Juli hätte die Polizei laut Amnesty sieben Mitglieder der Jugendorganisation der Oppositionspartei Chadema verhaftet und nicht mehr freigelassen, weil sie während des Hissens ihrer Parteifahne die Nationalhymne gesungen und damit angeblich „die Nationalhymne und die Flagge verspottet“ hätten.

Ein Kandidat von Chadema sei am 14. August vorübergehend verhaftet worden, weil er beim Abholen seiner Nominierungspapiere für die Parlamentswahl von zahlreichen Parteifreunden begleitet worden ist. Dies sei, so der Vorwurf von Amnesty, als „Organisation einer nicht autorisierten Demonstration“ bewertet worden. 

Amnesty: "Die Behörden müssen das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit respektieren"

Deprose Muchena: „Die Behörden müssen aufhören, Oppositionspolitiker unter lächerlichen Vorwänden zu belästigen. Sie sollen stattdessen die Einhaltung des Rechts auf Freiheit, Meinungsfreiheit, friedliche Versammlung und Vereinigung respektieren, wahren und erleichtern, damit die Politiker ihre Kampagnen frei durchführen können.“

Amnesty kritisiert auch die erst im August eingeführte neue Regel, wonach ausländische Journalisten von einem Regierungsbeamten begleitet und beaufsichtigt werden müssen.

Kritik am neuen Rundfunk- und Fernsehgesetz

Undemokratisch sei auch die Änderung des Rundfunk- und Fernsehgesetzes am 11. August, Demnach müssen einheimische Medien vor der Ausstrahlung von Sendungen ausländischer Sender zuvor eine Genehmigung einholen. Anlass sei die Ausstrahlung eines BBC-Interviews mit dem Oppositionspolitiker Tundu Lissu durch den tansanischen Sender „Radio Free Africa“ gewesen.

Kritisiert wurde außerdem das Verbot einer tansanischen Zeitung und die Suspendierung von Medienhäusern, u.a. unter dem Vorwand, falsche Informationen über COVID-19 verbreitet zu haben. Kwanza TV sei am 6. Juli sogar für elf Monate suspendiert worden, weil der Sender über einen Bericht der US-Botschaft zur aktuellen Corona-Lage informiert hatte.  

"Einschränkung der Arbeit der Zivilgesellschaft"

In der ausführlichen Stellungnahme von Amnesty wird auch die Einschränkung der Arbeit der Zivilgesellschaft durch neue verschärfte NGO-Regeln angesprochen. Diese werden von Amnesty als "Kontrolle und Überwachung von NGOs durch die Regierung" bewertet. Die Sicherheit ihrer Mitglieder sei akut gefährdet. Wahlbezogene Aktivitäten von tansanischen Menschenrechtsorganisationen seien verboten worden.

Als Beispiel wurde auch der Beschluss der Nationalen Wahlkommission vom 23. Juni angeführt, wichtige Organisationen der Zivilgesellschaft wie das Tansania Constitution Forum (TCF), das Rechts- und Menschenrechtszentrum (LHRC), die Tansania Human Rights Defenders Coalition (THRDC) und die Tansania Episcopal Conference (TEC) von der Durchführung von Bildungsarbeit unter Wählern auszuschließen. 

Bislang noch keine Stellungnahme der Regierung

Amnesty-Direktorin Deprose Muchena: "Präsident Magufuli muss dringend den Rückgang der politischen und bürgerlichen Freiheiten in Tansania umkehren und sicherstellen, dass Menschenrechtsverteidiger, Aktivisten und Organisationen der Zivilgesellschaft ihre Arbeit frei, unabhängig und ohne Angst vor Repressalien ausführen können. Er muss auch sicherstellen, dass seine Regierung die Menschenrechte vor, während und nach den Wahlen respektiert, schützt und fördert. Darüber hinaus muss er die sofortige, gründliche, transparente und wirksame Untersuchung von Anklagen garantieren und mutmaßliche Täter vor Gericht stellen.“

Die tansanische Regierung hat zu dem Amnesty-Report bislang noch keine Stellung bezogen.

"Amnesty: Tanzania 'must end arbitrary arrests of opposition leaders'"
Deutsche Welle vom 12.10.2020 (in engl.)