27.07.21

Freeman Mbowe (Chadema) wegen "Verschwörung und Finanzierung terroristischer Aktivitäten" angeklagt


Freeman Mbowe (Foto: The Citizen)

Aktualisierung  Freeman Mbowe, Vorsitzender der größten tansanischen Oppositionspartei Chadema, wurde am gestrigen Montag (26.7.) vor dem Amtsgericht Kisutu wegen Wirtschaftssabotage, Verschwörung und Finanzierung terroristischer Aktivtiäten angeklagt.

Die Leitung von Chadema hat die Verhaftung ihres Vorsitzenden und zahlreicher Funktionäre und Mitglieder mit scharfen Worten kritisiert. Nach ihren Angaben würde es sich um einen "Komplott" handeln, "um die politischen Aktivitäten der Opposition durch die von der CCM geführte Regierung zu sabotieren." Tundu Lissu, in Belgien lebender bekannter Funktionär der Partei, sprach von einem "anhaltenden politischen Krieg von CCM, Polizei und Sicherheitsorganen gegen Chadema.“

Auf die Frage der tansanischen Tageszeitung 'The Citizen' nach den Umständen der Festnahme von Mbowe antwortete Polizeisprecher David Misime: „Es gibt kein Gesetz, das vorschreibt, wie und wann eine Person festgenommen werden sollte. Immer dann, wenn wir mit unseren Beweisen zufrieden sind, werden wir diese Person überall verhaften.“

Zwei weitere Oppositionsparteien fordern die sofortige Freilassung von Mbowe

Die beiden Oppositionsparteien NCCR-Mageuzi und ACT-Wazalendo haben nach Angaben von Ippmedia die "sofortige bedingungslose Freilassung Mbowes" verlangt und fordern von der Regierung die von der Staatspräsidentin angekündigte Aufnahme eines Dialogs mit der Opposition.

"Verschwörung zur Begehung terroristischer Handlungen"

Freeman Mbowe, Vorsitzender der größten Oppositionspartei Chadema, war am 21. Juli in Mwanza verhaftet worden. Nach Angaben der Polizei wurden gegen ihn mehrere Anklagen erhoben, darunter "Verschwörung zur Begehung terroristischer Handlungen" und "Tötung von Regierungsbeamten". Die Ermittlungen seien jetzt abgeschlossen und würden sich einreihen in gleichlautende Anklagen gegen 6 weitere Oppositionspolitiker, die bereits vor Gericht stehen.

Nach Angaben der tansanischen Tageszeitung "The Citizen" gab Polizeisprecher David Misime am 22. Juli eine Erklärung ab, in der ausdrücklich dementiert wurde, dass Mbowe wegen der Organisation einer Versammlung zur Verfassungsreform verhaftet worden sei. 

'The Citizen' meldete, dass nach Auskunft des Polizeichefs von Mwanza, Ramadhani Ngh'anzi, die Anklage gegen Mbowe auf Informationen des tansanischen Geheimdienstes beruht.

US-Botschaft äußert ihre Besorgnis

Die US-Botschaft zeigte sich in einer Stellungnahme besorgt. Amnesty International forderte die sofortige Freilassung Mbowes und aller anderen inhaftierten Oppositionspolitiker. Die Verhaftungen sorgten weltweit für Aufsehen.

Verhaftung von Mbowe und 11 weiteren Chadema-Mitglieder am Mittwoch in Mwanza

Mbowe war zusammen mit 11 weiteren Mitgliedern von Chadema am 21. Juli morgens im Kingdom Hotel in Mwanza verhaftet und "zur weiteren Befragung" polizeilich festgehalten worden. Anschließend wurde der Oppositionsführer zur polizeilichen Vernehmung nach Daressalam gebracht. 

Chadema teilte mit, dass auch das Privathaus von Mbowe durchsucht worden ist. Die Polizei beschlagnahmte seinen Computer und weitere Unterlagen.

Kein Zusammenhang zur Chadema-Initiative um eine Verfassungsreform?

Als Hintergrund der Verhaftungen wurde anfangs die geplante Durchführung einer von der Chadema-Jugendorganisation in Mwanza organisierten großen vorbereitenden Versammlung für eine Verfassungsreform vermutet. Tansania-Experten sehen diesen Zusammenhang trotz des Dementis des Polizeisprechers auch weiterhin.

Präsidentin Samia Suluhu Hassan, die an der letzten Verfassungsdebatte selbst noch aktiv und produktiv beteiligt war, hatte erst vor wenigen Wochen eine Neuauflage der Diskussion zum jetzigen Zeitpunkt abgelehnt, weil in den kommenden Jahren die wirtschaftliche Entwicklung des Landes absolut im Vordergrund stehen müsse. Erst danach könne über eine Verfassungsreform gesprochen werden.

Fortbestand undemokratischer Gesetze aus der Magufuli-Zeit

Die jüngsten Initiativen von Chadema zur Verfassungsreform fanden in einer schwierigen Rechtslage statt. Im Jahr 2016 waren den tansanischen Parteien durch den damals amtierenden autokratischen Staatspräsidenten John Magufuli alle öffentlichen Versammlungen außerhalb des Wahlkampfes verboten worden - neben der Zensur der Medien eine weitere drastische Einschränkung demokratischer Rechte, was auch von Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International oder 'Reporter ohne Grenzen' scharf verurteilt wurde.

Die amtierende Staatspräsidentin Samia Suluhu Hassan erklärte nach ihrem Amtsantritt im März 2021, zu demokratischen Strukturen zurückkehren zu wollen. Allerdings deutlich langsamer, als sich dies die Vertreter der Opposition erhofft hatten. So wurden zwar die Zensur der sozialen Medien, das Redeverbot über die Covid-19 Pandemie und zuletzt auch das Verbot parteiinterner Veranstaltungen aufgehoben, weitere von der Opposition als "diktatorisch" bezeichnete Einschränkungen wie das Verbot des freien öffentlichen Demonstrations- und Versammlungsrechts jedoch noch nicht.  

Staatspräsidentin Hassan weckte große Hoffnungen bei der Opposition

Immerhin weht seit März in den Medien wieder ein anderer Wind, und die Ankündigung der Präsidentin, in einen Dialog mit den Oppositionsparteien und auch in einen Diskurs über eine Verfassungsreform eintreten zu wollen, erweckte große Hoffnungen bei allen oppositionellen Kräften und in der Zivilgesellschaft.

Über die Frage, warum Samia Suluhu Hassan nicht umgehend nach ihrem Amtsantritt wieder alle demokratischen Grundrechte in Kraft gesetzt hat, gibt es unter Tansania-Experten unterschiedliche Auffassungen. Oft wird das Argument angeführt, dass es für Hassan immer noch darum gehen müsse, das nach wie vor in der Regierung und auch in der Bevölkerung stark vertretene Magufuli-Lager in ihr Regierungshandeln einzubinden und dadurch auch langfristig ihre Position an der Regierungsspitze abzusichern. Und in der Bevölkerung, die Magufuli weitgehend immer noch verehrt, steht die Fortsetzung der wirtschaftlichen Erfolge Tansanias unbestritten an erster Stelle.  

Polizeieinsatz nach einstweiliger Verfügung gegen Verfassungskonferenz

Zu den Auseinandersetzungen um die große Versammlung in Mwanza zur Vorbereitung einer Verfassungsreform gibt es unterschiedliche Sichtweisen:

Chadema behauptete, eine rein parteiinterne Versammlung durchführen zu wollen, die neuerdings wieder genehmigt sei.

Die Polizei bewertete das öffentliche Werben für die Teilnahme an der Veranstaltung und die angeblich erwartete Teilnehmerzahl von 600 Personen jedoch als Vorbereitung einer noch verbotenen öffentlichen Veranstaltung und untersagte diese in der vergangenen Woche per einstweiliger Verfügung.

Chadema: Insgesamt circa 150 Verhaftungen

Weil die Vorbereitung der Konferenz nach Angaben der Polizei dennoch fortgesetzt wurde, hatte sie bereits am 18. Juli 38 Personen verhaftet - nach Angaben von Chadema sogar 128 Teilnehmer. Darunter auch den oppositionellen Bischof Emaus Mwamakula von der christlichen Erweckungsbewegung Herrnhuter Brüdergemeine und weitere Geistliche.

Freeman Mbowe führte daraufhin eine Pressekonferenz durch, in der er sich über die Festnahme von Parteianhängern durch die Polizei sowie über die fehlende Fortschritte bei der Verfassungsreform beschwerte. Chadema werde sich nicht weiterhin vor der Staatspräsidentin beugen, wenn es um die Zukunft des Landes geht. „Wir können nicht mit dem alten System weitermachen. Wir haben das Recht auf Versammlungen. Wir werden verhaftet, geschlagen, strafrechtlich verfolgt, vor Gericht zwei bis drei Jahre lang gefoltert, dann wieder freigelassen oder zu lebenslanger Haft verurteilt“, sagte Mbowe laut BBC.

Am 28. Juli umstellte die Polizei schließlich das Veranstaltungshotel und nahm weitere Verhaftungen vor. Zu den Festgenommenen gehörten dann auch Mbowe, Rose Mayemba (Chadema-Vorsitzende der Njombe Region) und weitere führende Mitglieder der Chadema-Jugendorganisation Bavicha. Ippmedia meldet, dass nach Angaben des zuständigen District Commissioners auch noch ein "Verstoß gegen die Corona-Bestimmungen" vorgelegen habe.

Doch dies alles steht nun im Schatten der schockierenden Anklage gegen Mbowe wegen "Terrorismus" und "Verschwörung zum Mord".

Chadema: "Anzeichen für eine Fortsetzung der Diktatur"

Chadema hatte bereits am 21. Juli in einer ersten Stellungnahme erklärt: „Unsere Partei verurteilt die Unterdrückung der Rechte der Tansanier auf das Schärfste. Dies sind Anzeichen dafür, dass die Diktatur, die unter Präsident John Magufuli herrschte, fortgesetzt wird.“

Tatsächlich war es bei der Aktion in Mwanza das erste Mal in der Amtszeit von Präsidentin Samia Suluhu Hassan, dass Oppositionspolitiker festgenommen und inhaftiert wurden.

Eine Stellungnahme der Staatspräsidentin liegt bislang noch nicht vor.