Hukwe Zawose war der bedeutendste traditionelle Musiker Tansanias, einer der größten traditionellen Musiker Afrikas und ein Star der internationalen Weltmusik. Er starb am Dienstag, den 30. Dezember 2003, im Alter von 63 Jahren.
 

Hukwe Zawose gehörte zum Volk der Wagogo aus der Dodoma-Region. Er wurde 1940 in eine Künstlerfamilie hineingeboren, in der seit Generationen die traditionelle Musik der Wagogo vererbt wurde. Sein Vater Ubi Zawose, der am 31.3.2006 im Alter von angeblich 118 Jahren in Bagamoyo gestorben ist, war ein wahrer Meisterinstrumentalist und ein berühmter traditioneller Heiler.
 

Seit frühester Kindheit spielte Hukwe Zawose die Zeze:

"Zuerst mit einer Saite, dann ein Instrument mit zwei Saiten. Später habe ich damit begonnen, die Zeze weiter zu entwickeln. Niemand hat mich unterrichtet, ich habe mir alles selbst beigebracht, indem ich andere Musiker beobachtet habe. Niemand hat mir gezeigt, wie das Instrument gestimmt wird, und so habe ich es auf meine Art getan. Deshalb ist die Stimmung, die ich benutze, anders als die `normalen` Wagogo-Stimmungen.

Nach und nach habe ich die Zeze dann verändert. Von zwei Saiten auf drei, dann auf vier, fünf, sechs bis zu zwölf Saiten. Jetzt benutze ich manchmal eine Zeze mit 14 Saiten und einem sehr großen Klangkörper aus einer Kalebasse, in den du vielleicht zweieinhalb große Dosen Hirse oder Mehl einfüllen kannst.

Als Kind habe ich im Haus meines Vaters gelebt und habe die Kühe gehütet. es war das Leben eines normalen Bauernkindes, obwohl ich auch damals schon Musik gemacht habe. Dort, 25 Kilometer von Dodoma entfernt, liegt Bugiri, das Dorf, in dem ich geboren wurde. Am Ortseingang, in der Nähe der Blindenschule, ist mein Haus. Heute lebt mein ältester Sohn dort und hat seine eigene Viehherde.

Bis zum heutigen Tag lebe ich von der Musik. Bis jetzt bin ich mit meinem Leben sehr zufrieden. Möchtest du etwas über meine Familie wissen? Ich folge der traditionellen Lebensweise meines Volkes. Ich lebe mit den alten Bräuchen der Wagogo."

(Hukwe Zawose in einem Interview mit dem Münsteraner Musiker Pit Budde)
 

Hukwe Zawose ist persönlich vom tansanischen Staatspräsidenten Julius Nyerere, den der Musiker stets sehr verehrt hat, nach Daressalam und nach Bagamoyo an das Bagamoyo College of Arts geholt worden. Als "Master Musician" unterrichtete Hukwe Zawose viele Jahre lang Stundenten an den Instrumenten Daumenklavier und Zeze. In den letzten Jahren trat Zawose auch als Heiler mentaler Krankheiten (unter Einsatz seines Daumenklaviers als heilendes Instrument) zunehmend in die Fußstapfen seines Vaters.

Sieben Teilnahmen am WOMAD-Weltmusikfestival

Mit dem Nationalensemble von Tansania, den Bagamoyo Players, trat Hukwe Zawose u.a. in Japan, Australien, China, USA, England, Frankreich, Norwegen, Schweden, Finnland, Dänemark, Österreich, Spanien und Deutschland auf. Dr. Zawose gehörte zu den Musikern, die am häufigsten auf WOMAD-Weltmusikfestivals aufgetreten sind: Zwischen 1996 und 2000 nahm er in verschiedenen Ländern an sieben dieser großen Festivals teil.

Nach seiner Pensionierung trat Zawose eigenständig als Solo-Musiker, mit seinem Neffen Charles Zawose oder mit Musikern seines Wagogo-Volkes weltweit auf.

Einer der großen afrikanischen Stars der Weltmusik

Dr. Zawose war einer der großen afrikanischen Stars der internationalen Weltmusik. Tonträger mit seiner Musik sind in England, Frankreich, Japan und den USA erschienen. Sehr schnell wurde der bekannte britische Musiker Peter Gabriel auf ihn aufmerksam, der ihn in Interviews als "einen der bedeutendsten traditionellen  Künstler der Welt" bezeichnete. So erlangten denn auch seine bei Peter Gabriels Real World Label veröffentlichten zahlreichen Solo- bzw. Sampler-CDs große Aufmerksamkeit. Einige schafften sogar den Sprung bis an die Spitze der Weltmusik-Charts.
 

In den letzten Jahren brachte Peter Gabriel mehrfach Hukwe Zawose mit dem kanadischen Musiker und Komponisten Michael Brook zusammen, der u.a. wegen seiner Arbeit mit der Popgruppe U2 weltweit bekannt wurde. In der bemerkenswerten und sehr erfolgreichen WOMAD-CD "Zawose & Brook" unternahm Zawose im Jahr 2001 gemeinsam mit Charles Zawose erstmals einen Ausflug in die Welt der Popmusik, ohne dabei musikalisch seine eigenen Wurzeln zu verleugnen.

Ein Jahr zuvor hatte ebenfalls WOMAD die CD "Dr. Hukwe Zawose & Charles Zawose: 'Mkuki wa roho / A spear to the soul'" veröffentlicht, die in der Weltmusikszene, vor allem aber in Japan, wo Tausende in großen Konzerthallen die Konzerte Zawoses besuchten, für Furore sorgte. Auf dieser CD spielte Zawose die 14-saitige "Zeze Kubwa" und trug erstmals öffentlich vorkoloniale Wagogo-Lyrik vor.

Aktiv im Kampf gegen Aids

In den letzten Jahren hat sich Zawose auch am Kampf gegen Aids beteiligt. So wirkte er gemeinsam mit Künstlern wie Papa Wemba oder Youssou N'Dour an dem großen afrikanischen Aids-Musikprojekt zugunsten der Freddy-Mercury-Stiftung mit.

Auszeichnung mit dem Ehrendoktor der Universität Helsinki

Für sein Lebenswerk wurde der charismatische Musiker 1998 mit dem Ehrendoktortitel der Universität Helsinki ausgezeichnet. Für sein Lebenswerk erhielt Dr. Hukwe Zawose außerdem im Jahre 2002 den Zeze-Award, die höchste Kulturauszeichnung Tansanias.

"Hukwe Zawose scheint über mindestens drei Stimmen aus verschiedenen Teilen seiner Kehle zu verfügen. Sie gleiten von einer Stelle zur anderen mit einer atemberaubenden Leichtigkeit."
Ian Anderson, Herausgeber von "Folk Roots"


Solo-CDs:

Stimmen:

"Ich liebe es, zu sehen, wie Hukwe Zawose das Publikum begeistern kann. Seine Musik berührt, er ist ein phantastischer Meister der traditionellen afrikanischen Musik, der sich aber auch modernen Richtungen öffnen kann."
Peter Gabriel

"Der Vater der traditionellen Musik Tansanias"
Andy Morgan, Realworld

"Hukwe sah seine wichtigste Aufgabe darin, die traditionelle Musik Tansanias bekannt zu machen. Er war die zentrale Figur in der Entwicklung dessen, was die 'klassische Musik Tansanias' genannt werden könnte."
Gabriel Olegavich, Realworld Records


Sampler:

  • Big Blue Ball
    (Peter Gabriel u.a. mit Hukwe Zawose)
    Real World Records, 2008
  • Africa (Travelogue, Union Square Label), 2003
    Zawose mit Lubelje Chiute und Dickson Mkwama
  • Voices of the Real World, Various artists (Real World Records), 2003
  • Afro Melt (Demon Music), 2002
  • Spirit of Africa, Various artists (Real World Records), 2001
  • Real World Sampler, Various artists (Real World Records), 1996
  • The Music of Kenya and Tanzania (World Music Network), 1996
  • It's a triple earth (Triple Earth Music), 1995
  • Music of Tanzania, 1993
  • Tanzanie, Lieder der Wagogo und der Kuria (Maison des Cultures du Monde), 1992
  • In the blood, 1990
  • One World One Voice (Virgin Records), 1990
  • Tanzania Yetu (Triple Earth Music), 1985

Kassette:

  • "Mwanzo wa Makonde"/"Mythos vom Ursprung der Makonde" (W. König), 1993


Hukwe Zawose im Video:

Wer Hukwe Zawose noch einmal in Video-Ausschnitten erleben möchte, kann dies auf der Homepage von WOMAD tun:
"Hukwe live auf dem WOMAD Rivermead Festival 2000"
Mit Impresssionen von der gemeinsamen Studioarbeit mit Michael Brook
Mit einer Erklärung von Peter Gabriel zu Hukwe Zawose.


Teilnahme an WOMAD-Weltmusikfestivals:

  • WOMAD EXPO 2000 Hannover, 2000
  • WOMAD Rivermead 2000
  • WOMAD at Sura za Afrika 1996
  • WOMAD Rivermead 1996
  • WOMAD Gran Canaria 1996
  • WOMAD Global Spirit 1996
  • WOMAD Rivermead 1998


Ein großer Freund des deutsch-tansanischen Kultur- und Künstleraustauschs

Hukwe Zawose hat von Anfang an den vom Freundeskreis Bagamoyo e.V. organisierten deutsch-tansanischen Kultur- und Künstleraustausch begleitet: Er gehörte zum Ensemble der Bagamoyo Players, die 1989 erstmalig eine Deutschland-Tournee durchführten. Auch an weiteren Deutschland-Tourneen wirkte er (z.T. auch nach seiner Pensionierung am Bagamoyo College of Arts) aktiv mit. Gemeinsam mit John Mponda, Werema Chacha, Wolfgang König, Veronika te Reh, Pit Budde und anderen Musikern gehörte er zu dem Ensemble, das für den Ev. Kirchentag im Ruhrgebiet die Produktion "Mwanzo wa Makonde" einstudierte und aufführte. Im Jahr 2000 organisierte der Freundeskreis dann die erste Solo-Deutschlandtournee Zawoses, die ihn durch das ganze Land führte und die das deutsche Publikum begeisterte.

Gemeinsames Konzert mit Francis Bebey (Kamerun)

Unvergessen für 400 Besucher das von der VHS Ahlen, dem Freundeskreis Bagamoyo und der Kreismusikschule Warendorf gemeinsam organisierte gemeinsame Konzert von Hukwe Zawose und Francis Bebey in der Ahlener Stadthalle. Die beiden Musiker-Legenden Ost- und Westfarikas, die beiden Virtuosen auf dem Daumenklavier in einigen gemeinsamen Musikstücken auf der Bühne zu erleben, war ein ganz einmaliges Ereignis. Sie sind insgesamt nur zweimal zusammen aufgetreten: Einmal in Westafrika und einmal in Deutschland.

Schwere Krankheit

Ebenso unvergessen die Empfänge der Familie Zawose in Bagamoyo für Mitglieder von deutschen Delegationen oder Reisegruppen, an denen oft die gesamte Familie künstlerisch mitgewirkt hat. Lediglich eine Reisegruppe im Oktober 2003 erlebte einen kranken, bereits um viele Kilo abgemagerten Hukwe Zawose, der zwar nicht mehr spielen konnte, der sich aber geistig immer noch äußerst fit zeigte und das Leben auf seiner neuen großen Farm am Ortsrand von Bagamoyo sichtbar genoß. Er kam gerade mit einer alten Flinte von der Wildschweinjagd, als die Gruppe auf der Farm eintraf.

Nach Auskunft seiner Familie starbHukwe Zawose an Malaria.

Der Freundeskreis Bagamoyo e.V. wird sein Ehrenmitglied als einen der großen Künstler Afrikas, als einen vitalen, lebenslustigen und humorvollen Freund in Erinnerung behalten.

Ein Nachruf von Rudolf Blauth (Dezember 2003)
 


Blitzinterview mit John Mponda (Bagamoyo Players) unmittelbar nach der Todesnachricht

Frage: John, kannst Du den Tod von Hukwe Zawose bestätigen?

John Mponda: Ja, leider. Er wurde schon früher einmal tot gesagt, was nicht stimmte. Aber diesmal ist die traurige Nachricht tatsächlich eingetreten.

Frage: Kannst Du uns Details berichten?

Mponda: Er starb nach einer längeren Krankheit. Die Familie spricht offiziell von Malaria. Er war noch drei Tage vor seinem Tod in einem Krankenhaus in Daressalam. Aber die Ärzte konnten ihm nicht mehr helfen.

Frage: Welche Stimmung herrscht am College of Arts in Bagamoyo?

Mponda: Alle sind natürlich unendlich traurig. Der wohl größte traditionelle Musiker Tansanias ist gestorben. Ein unglaublicher Verlust für ganz Schwarzafrika. Wohl niemand mehr wird das Daumenklavier oder die Zeze so perfekt spielen und dazu singen und tanzen können wie er. Die ganze Stadt ist schwer geschockt.

Frage: Wann findet die Beerdigung statt?

Mponda: Dr. Zawose wird ganz traditionell am Morgen des 1. Januar entweder an seinem Haus oder auf seiner Farm beerdigt. Wir rechnen mit ganz ganz vielen Menschen, die an dieser Zeremonie teilnehmen werden. Viele Menschen aus der Dodoma-Region, aus seinem Wagogo-Volk, deren berühmtester Vertreter er war, haben sich in Richtung Bagamoyo in Bewegung gesetzt. Aus dem gesamten Land werden Künstler nach Bagamoyo kommen, auch mein eigener Vater ist bereits nach Bagamoyo unterwegs. Und natürlich wird auch das gesamte College anwesend sein, um ihm die letzte Ehre zu geben.

Frage: Ist sein Neffe Charles anwesend?

Mponda: Ja, zum Glück kehrte er vor zwei Wochen von einer Japan-Tournee zurück. Vor allem die Großfamilie, Hukwes fünf Frauen und seine 16 Kinder, brauchen jetzt seine Hilfe. Wir alle am College machen uns große Sorgen, wie es mit seiner Familie weitergeht.

John, vielen Dank für das Interview!

(Das Interview führte Rudolf Blauth telefonisch am 31.12.2003. John Mponda war bis zu seinem plötzlichen Tod im Jahr 2018 Musiker, Tänzer, Dozent am Bagamoyo College of Arts, Mitglied und künstlerischer Leiter der Bagamoyo Players)


Über 5.000 Menschen auf der Beerdigung von Hukwe Zawose

Blitz-Interview mit John Mponda (Bagamoyo Players)

Frage. Hallo John, was kannst Du uns über die Beerdigung von Hukwe Zawose am 1. Januar 2004 berichten?

Mponda: Es war die größte und eindrucksvollste Beerdigung, die es jemals im Bagamoyo District gegeben hat: Über 5.000 Menschen nahmen an der Zeremonie teil. Es waren natürlich die Bewohner von Bagamoyo, aber auch Vertreter der Ministerien, der Universität Daressalam, Delegierte des East African Theatre Instituts, Japaner und sehr viele Studenten bzw. ehemalige Studenten des Bagamoyo College of Arts. Die Beerdigung sollte eigentlich um 11.00 Uhr beginnen, durch den großen Menschenauflauf verzögerte sich aber alles um 1 1/2 Stunden.

Frage: Wo wurde Hukwe beerdigt?

Mponda: Nicht auf seiner neuen Farm, sondern unmittelbar neben seinem Haus in Bagamoyo. Er wurde übrigens nicht traditionell beerdigt, sondern christlich durch einen Pastor der anglikanischen Kirche, der Hukwe vor noch nicht allzu langer Zeit beigetreten war.

Frage: Welche Reden wurden gehalten?

Mponda: Für das offizielle Tansania und für alle Künstler des Landes sprach Mr. Kaduma, der ehemalige Kulturdirektor von Tansania, Schauspieler und Theaterregisseur. In seiner Rede schilderte er noch einmal, wie Hukwe Anfang der 60iger Jahre von Nyerere aus Dodoma ins State House nach Dar es Salaam geholt wurde, um dort ausländischen Staatsgästen die Kultur Tansanias näher zu bringen. Er erzählte, wie Hukwe zu den Gründern der National Theatre Company und des College of Arts gehörte. Er schilderte ihn als einen der größten und wichtigsten Künstler, die Tansania, die Schwarzafrika jemals gehabt hat.

Frage: Wer sprach noch?

Mponda: Ein Vertreter seiner Familie hielt ebenfalls eine Rede. Er erzählte, wie Hukwe in seinem Dorf aufgewachsen ist und wie er seine große Familie in Bagamoyo gründete, die gegenwärtig aus fünf Ehefrauen, 18 Kindern und 16 Enkelkindern besteht.

Frage: Wie alt ist Hukwe Zawose tatsächlich geworden?

Mponda: Es gibt keine offizielle Geburtsurkunde. Er wuchs ja noch in der Kolonialzeit auf. Manche sagen, er sei 63. Davon bin ich selbst auch ausgegangen. Von seiner Familie wurde aber ein Alter von 73 angegeben. 

Frage: Wie geht es jetzt mit seiner Großfamilie weiter?

Mponda: Die gesamte Verwandtschaft ist aus Dodoma zu seiner Beerdigung gekommen und der Familienrat tagt gegenwärtig immer noch, um die Zukunft der Familie zu beraten und das Erbe zu regeln. Dabei geht es auch darum, ob die Familie in Bagamoyo bleibt oder nach Dodoma zieht. Hukwes Neffe Charles, der musikalisch in seine Fußstapfen getreten ist, wird wohl auf alle Fälle in Bagamoyo wohnen bleiben.

John, ich danke Dir für das Interview!

(Das Gespräch führte Rudolf Blauth telefonisch am 3.1.2004.)