Martin Dugard, "Auf nach Afrika! Stanley, Livingstone und die Suche nach den Quellen des Nils"

Piper Verlag, München, 2005
331 S., 9,90 EUR

"Dr. Livingstone, wenn ich nicht irre?" Wohl jeder kennt diese Worte, mit denen Henry Morton Stanley nach einer beschwerlichen Reise quer durch den afrikanischen Kontinent am 10. November 1871 den seit fünf Jahren vermissten Afrikaforscher David Livingstone in der Nähe des Tanganyika-Sees begrüßte. Aber wissen die meisten noch mehr?

Schon dass die Nachricht von dieser Begegnung ein halbes Jahr brauchte, bis sie in Europa bekannt wurde, dürfte den kommunikationsgesättigten Leser von heute überraschen. Es war der 2. Mai 1872, als die Times titelte: "Stanley bringt Dr. Livingstone in Sicherheit", und erst weitere vier Monate später, am 1. August, erreichte Stanley selbst in Dover britischen Mutterboden, um persönlich von seiner Heldentat zu berichten.

Der amerikanische Journalist Martin Dugard hat jetzt ein Buch geschrieben, das die Geschichte dieser Suche minutiös nachzeichnet. Es ist die Geschichte eines alten Afrikaforschers auf der Suche nach den Nilquellen und eines jungen Journalisten auf der Suche nach Ruhm. Henry Morton Stanley hieß eigentlich John Rowlands und war von dem Zeitungsmagnaten James Gordon Bennett auf die Suche nach Livingstone geschickt worden - er witterte eine große Story. Stanley ergriff die Chance und machte mit seiner Geschichte ein Vermögen.

Auf 300 leicht zu lesenden Seiten wird sie nachgezeichnet. Die Grenze zwischen Sachbuch und Roman ist fließend - für viele Einzelheiten ist Stranley die einzige Quelle, und seine Schilderungen müssen nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen. Die entscheidenden Tagebuchseiten über seine Begegnung mit Livingstone zum Beispiel hat jemand vernichtet, und so sind die berühmten Worte durchaus nicht verbürgt. Manch andere blumig ausgeschmückte Szene dürfte schlicht erfunden sein, und die brutale und rassistische Seite Stanleys wird von Dugard eher unterbelichtet. Dennoch: Wer einen detailreichen Blick auf die Afrikaforscher und ihre Reisen durch den Schwarzen Kontinent Ende des 19. Jahrhunderts werfen will, wird dieses Buch mit Gewinn lesen.

Von Ekkehard Launer
Aus: "der überblick", Quartalsschrift des kirchlichen Entwicklungsdiensets, Juni 2005