Rolf Hasse, "Tansania - Das koloniale Erbe"

Eigenverlag, Augsburg, 2005
207 S., 68,50 EUR

Um es kurz zu machen: Dieses Buch ist ein absolutes "Muss" für alle Tansania-Freunde, die an der Geschichte des Landes und insbesondere an der deutschen Kolonialgeschichte interessiert sind. Und das Buch ist seinen sehr hohen Preis (es wurde im Eigenverlag gedruckt, da sich kein Verleger fand) absolut wert: Denn es ist nicht nur sehr repräsentativ im Hardcover und Großformat aufgemacht, sondern auch angefüllt mit unzähligen historischen Fotos, Ansichtskarten sowie Grundrissen ehemaliger deutscher Kolonialgebäude. Dabei erleichtert die Gegenüberstellung von historischen und aktuellen Aufnahmen (an denen auch der Tansania-Experte Jörg Gabriel mitgewirkt hat) das Entdecken und Verständnis dieser Gebäude vor Ort.

Der in Augsburg lebende Rolf Hasse wurde 1936 geboren und hat viele Jahre in Deutschland und im Ausland als Architekt gearbeitet. Von 1977 - 1980 wirkte er im Rahmen der Entwicklungshilfe als Unterabteilungsleiter im tansanischen Arbeitsministerium (Architects Division) und als Berater des Director of Antiquities im Ministerium für Kultur und Jugend in Dar es Salaam. Mehrere Jahre war Rolf Hasse auch beruflich in Botswana und Simbabwe tätig und hat in Deutschland u.a. mit Roland Günter ein Handbuch gegen Stadtzerstörung publiziert.

In seinem Vorwort legt der Autor Wert auf die Feststellung, dass er mit seinem Werk keinen Anspruch erhebt, eine Analyse historischer Zusammenhänge der deutschen Kolonialzeit vorzulegen. Allerdings ist das Buch weit mehr als lediglich "ein Beitrag zur Denkmalpflege", wie Hasse bescheiden einschränkt. Bereits die umfangreichen "Daten zur Geschichte Ostafrikas" dokumentieren eine sorgfältige und wissenschaftliche Recherche, die neben einer umfangreichen Archivarbeit auch einen Austausch mit anerkannten Tansania-Historikern wie Pater Johannes Henschel oder Dr. Heinz Schneppen einschließt.

So erfährt der Leser z.B. nicht nur die genaue Zahl der nachweisbaren Boma-Standorte auf dem Gebiet des heutigen Tansania (nämlich 56), sondern auch eine informative Beschreibung aller ehemaligen 22 deutschen Verwaltungsbezirke.

Bagamoyo-Freunden wird bereits im ersten Kapitel eine der bislang besten Zusammenfassungen der Ortsgeschichte angeboten. Auf 27 Seiten werden anschließend ausführlich die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft, das Fort, "Liku-Haus", Zollhafen, Boma, Post, das arabische Teehaus, die deutsche Schule und die Mission vorgestellt - jeweils mit alten (oftmals bislang unbekannten) und neuen Farb- und Schwarzweiß-Fotos, historischen Ansichtskarten und Grundrissen zu jedem einzelnen Gebäude.

Weitere Kapitel widmen sich den folgenden Zentren des deutschen Kolonialismus: Pangani, Tanga, Wilhelmstal (Lushoto), Arusha. Kondoa Irangi, Kidia (mit der ältesten protestantischen Kirche), Dar es Salaam, Iringa, Tabora, Bukoba, Ujiji, Kigoma, Kilimatinde, Utete, Kilwa Kivinje, Mikindani, Langenburg, Tukuya, Matema und Bismarckburg. Ein gesondertes Kapitel beschäftigt sich mit der ehemaligen deutschen Zentralbahn von Dar es Salaam nach Kigoma.

Das bemerkenswerte Buch, bei dem lediglich die vielen Zeichenfehler auf das fehlende Lektorat des vergeblich gesuchten Verlages hinweisen, endet schließlich mit einigen Überlegungen des Autors über eine zeitgemäße Denkmalpflege in Tansania. Dabei wird sowohl das (von wenigen Ausnahmen abgesehene) deutsche Desinteresse an ehemaligen Kolonialbauten beklagt als auch die mangelnden Anstrengungen der Tansanier, die bislang nicht einmal eine landesweite Erfassung der schützenswerten Bausubstanz erstellt haben und selbst im übersichtlichen Dar es Salaam mit ihrer "Einmannabteilung" mit "einer veralteten und lückenhaften Liste zu schützender Bauten" hantieren.

Bei der Entscheidung über die Zukunft der deutschen Kolonialgebäude ist nach Meinung von Horst Hasse ein Nutzungskonzept ausschlaggebend: "Zunächst ist die wichtigste Frage, was soll warum erhalten bleiben." Und dies, so der Autor, "kann nur von den Tansaniern beantwortet werden".

Von Rudolf Blauth