James Stephenson, "Traumgänger - Spurensuche bei den Hadza in Ostafrika"

Verlag Frederking & Thaler, München, 2001
316 Seiten

Ein Jahr verbringt der US-Amerikaner James Stephenson aus New York bei den Hadzabe am Lake Eyasi in Tansania. Es handelt sich bei den Hadzabe um eines der letzten afrikanischen Völker, die noch heute ein Leben als Jäger und Sammler führen.

Bemerkenswert, wie schnell sich der Autor mit den Hadzabe anfreunden und an ihrem Alltagsleben teilnehmen kann. Stephenson erlebt eine Kultur, die von einer tiefen, respektvollen Verbindung zwischen Mensch und Natur geprägt ist. Bei den Hadzabe spielen heute noch Mythen und Träume im tagtäglichen Leben eine entscheidende Rolle, wobei jedoch auch dieses Urvolk von den Einflüssen der "Zivilisation" nicht verschont bleibt.

Der Autor, Jahrgang 1970, ist Literaturwissenschaftler, Designer und Landschaftsarchitekt und hat sich nicht die Mühe gemacht, die (allerdings auch sehr schwere) Sprache der Hadza zu lernen. Wer also keine ethnologischen Erkenntnisse erwartet, sondern interessante Details über das Leben, die Jagd, die Ernährung, das Verhältnis Mann-Frau, Brautpreise, Religion, die Sprache, Tänze, Geburten, Drogen oder ganz allgemein die Kultur der Hadzabe (z.B. im Rahmen einer sehr empfehlenswerten Walking-Safari vom Lake Ndutu zum Lake Eyasi), der wird in diesem Buch auf seine Kosten kommen. Es ist zudem recht gut geschrieben und daher auch in der deutschen Übersetzung durch Thomas Bauer leicht und flüssig zu lesen.

Sicherlich bemerkenswert auch, wie es Stephenson gelang, über die Malerei einen Zugang zu den Hadzabe (Stichwort: Traumdeutung) zu bekommen. Ein wunderschöner vierfarbiger Fototeil in der Mitte des Buches dokumentiert den Erfolg dieser Bemühungen.

Umso bedauerlicher, daß sich Stephenson offensichtlich veranlaßt sah, durch gewisse Übertreibungen einen Beitrag zum Verkaufserfolg zu leisten:
So fehlen in dem Buch weder die obligatorische kurze Beziehung zu einem Hadzabe-Mädchen ("Ich war froh, in einer warmen Hütte zu sein, an eine junge Frau geschmiegt, und Fleisch zu essen") noch die dramatisierten Schilderungen von gefährlichen Begegnungen mit den in der Umgebung der Hadzabe angeblich lebenden blutrünstigen Wildtieren.

Einige Kostproben:
"Der Tanz ging langsam in einen Traum über, und als ich erwachte, befand ich mich, vor Kälte zitternd, in sechs Metern Höhe auf einem Eukalyptusbaum. Vom Fuße des Baumes hörte ich ein Geräusch: das Knurren und Schnüffeln einer fisi, einer Hyäne. Halluzinierte ich? Ich halluzinierte nicht. An meinem nackten Rücken spürte ich die kalte Rinde."

Oder:
"Der erdige Geruch des Löwen stieg mir in die Nase, während mein Blick über die Knochen zahlloser Tiere wanderte, die vor dem Loch verstreut waren. Eine Vision erreicht mich auch jetzt: Ich rief, was Mustaffa rief, und passierte die Höhle, ohne dabei die Worte wahrzunehmen, die uralte Botschaft, die ich dem Löwen überbrachte.“

Tatsache ist hingegen, daß die tansanische Regierung gegenwärtig die (nicht zum Volk der Hadzabe zählenden) Anwohner des Lake Eyasi aussiedelt, weil sich hier durch die starke Besiedelung  und den zunehmenden Ackerbau die Wildtiere dramatisch zurückgezogen haben und dadurch den Hadzabe die Lebensgrundlage entzogen wird."

Fazit: Dennoch ein durchaus lesenswertes Buch mit vielen guten Fotos, das aber in weiten Passagen mit einer gewissen Vorsicht und Skepsis zu genießen ist.